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Dissertationen (eigene und begutachtete):

H. Varahram:
"Untersuchung des Pinningverhaltens von Hochtemperatursupraleitern mittels eines Hallmagnetometers";
Betreuer/in(nen), Begutachter/in(nen): H. Hauser; Institut für Industrielle Elektronik und Materialwissenschaften, 2000.



Kurzfassung deutsch:
Ziel dieser Arbeit war das Pinningverhalten von polykristallinen untexturierten YBa2Cu3Ox Hochtemperatursupraleitern mittels magnetischer Messungen zu untersuchen. Die beiden dabei zu ermittelnden Kenngrößen waren die kritische Stromdichte, sowie die mittlere effektive Aktivierungsenergie. Erstere wurde aus Messungen der Hysteresen, zweitere aus der Untersuchung der Zeitabhängigkeit des magnetischen Momentes (sog. Relaxationsmessungen) ermittelt. Im Vordergrund stand dabei die Frage, ob das Pinning der beiden im Polykristall zirkulierenden Stromsysteme (Intra- und Interkornströme) gleiches oder unterschiedliches Pinning aufweisen. Die Trennung beider Stromsysteme sollte in klassischer Weise durch Vergleich von Messungen an Keramiken (Intra- und Interkornströme) und an Pulvern (nur Intrakornströme) erfolgen. Dabei war zu beachten, daß ein derartiger Vergleich nur sinnvoll ist, wenn die supraleitenden Eigenschaften der Pulver, welche die Intrakorn-Komponente beschreiben, mit jenen der Pulver übereinstimmt. Ein wesentlicher Parameter ist dabei die Korngröße, welche in die Berechnung der Stromdichte eingeht.

Als Meßmethoden für die Untersuchungen wurden ein Vibrationsmagnetometer sowie ein im Rahmen dieser Arbeit aufgebautes Hallmagnetometer eingesetzt. Beide Methoden ergänzen einander insofern, als bei beiden die Stromdichten auf unterschiedliche Art berechnet werden, und so eine Kontrolle der verwendeten Modelle erlauben. Darüber hinaus hat das Hallmagnetometer den Vorteil örtlich aufgelöste Informationen über das Pinning in den Proben zu liefern.

Die Arbeit gliederte sich im wesentlichen in drei Teile. Erstens die Präparation geeigneter Proben, zweitens Aufbau und Test eines Hallmagnetometers und drittens die Untersuchung des Proben im Hall- und im Vibrationsmagnetometer bezüglich ihres Pinningverhaltens.

Bezüglich der Proben wurden mehrere Serien von Keramiken und Pulvern hergestellt, welche unterschiedliche mittlere Korngrößen (3-30 µm) und enge Korngrößenverteilungen aufwiesen. Die zur Ermittlung der Korneigenschaften präparierten Pulverproben bestanden einerseits aus den für die Sinterung der Keramiken verwendeten Ausgangspulvern, andererseits aus Pulvern welche durch Mahlen der Keramiken entstanden sind. Im ersten Fall ist die Korngrößenverteilung der Pulver sehr ähnlich jener der Keramiken, im zweiten Fall ist die thermische Behandlung der Pulver ident mit jener der Körner in den Keramiken. Für die Herstellung der Keramiken wurde ein Sinterprogramm entwickelt, daß die Ausbildung guter Korngrenzen ohne wesentliches Kornwachstum erlaubte.

An das im Rahmen dieser Arbeit zu entwickelnde Hallmagnetometer wurden hohe Ansprüche gestellt. Es sollte neben der Messung der örtlichen auch die zeitliche Änderung des lokalen Feldes an der Oberfläche der Probe erfassen können, und zwar nicht nur wie üblich in kleinen sondern auch in hohen (Tesla-Bereich) angelegten Feldern. Das Problem von Hallmagnetometern ist allgemein, daß das zu messende Signal der Probe immer überlagert ist vom Signal welches vom angelegten Feld herrührt, und meist viel größer ist. Daher werden üblicherweise Hallmessungen im Remanenzfeld durchgeführt. Da dies in den gegenständlichen Untersuchungen nicht möglich war, mußte das Magnetometer so ausgelegt werden, daß die sehr kleinen Signaländerungen des lokalen Feldes von dem um Größenordnungen größeren Signal des Hintergrundfeldes getrennt werden können. Um dies zu erreichen wurde eine Differenzmessung realisiert, bei der zwei möglichst idente Hallsensoren zum Einsatz kommen. Einer unmittelbar auf der Probe, welcher das Signal von Hintergrundfeld und Probe detektiert, sowie ein zweiter im Abstand von 20 mm von der Probe, der nur mehr das Hintergrundfeld spürt. Die Differenz beider Signale ergibt, nach geeignetem Abgleich, das Signal der Probe. In den nachfolgenden Testmessungen wurde gezeigt, daß Relaxationen in Feldern bis 15 T bei 4.2 K gut meßbar sind. Es konnte die erwartete Ortsabhängigkeit der Relaxationen nachgewiesen werden. Neben diesen statischen Relaxationsmessungen wurde auch die dynamische Kriechrate aus Messungen von Hysteresen, welche mit unterschiedlicher Sweeprate aufgenommen wurden, ermittelt. Um aus dem lokalen Feld die im Supraleiter befindliche Stromdichte ermitteln zu können wurde ein Modell entwickelt, welches die granulare Struktur der Proben berücksichtigt. Ein Vergleich der im Hallmagnetometer erhaltenen Ergebnisse mit den Vibrationsmagnetometermessungen ergab gute Übereinstimmung.

Aus den im Hall- und im Vibrationsmagnetometer durchgeführten Messungen ergibt sich folgendes komplexe Bild für das Pinning in den untersuchten YBCO-Keramiken. Die aus den Relaxationsmessungen ermittelten mittleren effektiven Aktivierungsenergien zeigen deutlich unterschiedliches Verhalten in den Keramiken und den Pulverproben. In beiden Fällen kommt es in hohen Feldern zu einem Anstieg der Aktivierungsenergie mit der mittleren Korngröße, während in kleineren Feldern ein Abfall zu beobachten ist. Der Anstieg ist in den Pulverproben steiler als in den Keramiken. Dies führt dazu, daß die Aktivierungsenergie bei den Proben mit größeren Körnern in den Pulvern höher liegt als in den Keramiken, wobei sich dieses Verhalten bei den Proben mit kleineren Körnern umkehrt. Der Übergangsbereich verschiebt sich mit steigendem Feld zu kleineren Körnern. Umgelegt auf das Relaxationsverhalten bedeutet dies, daß die Relaxationen im Zwischenkornbereich in den Proben mit größeren Körnern rascher ablaufen als die Relaxationen im Kornbereich, während sie in den Proben mit kleineren Körnern langsamer als im Korn sind. Dies weist darauf hin, daß es möglich ist durch Optimierung der Korngrößen ein Pinning in den Korngrenzen zu erreichen, daß vergleichbar oder sogar größer ist als jenes in den Körnern. Es zeigt sich weiters, das die jeweils optimale Korngröße für unterschiedliche Feldbereiche nicht gleich sein muß. Das Auftreten von Relaxationen in ganz kleinen Feldern, bei welchen noch kein Fluß in die Körner eindringt und daher auch kein Relaxieren in den Körnern möglich ist, beweist die Existenz eigenständiger Pinningmechanismen in den Zwischenkornbereichen. Die Untersuchung der Feld- und Korngrößenabhängigkeit der kritischen Stromdichte zeigt, daß man nicht von einem typischen Kornkontakt sprechen kann. Während die Feld- und Korngrößenabhängigkeit der Stromdichte im Millitesla-Bereich als Wirkung eines Netzwerkes von Josephson-Kontakten erklärt werden kann, zeigt sich im Tesla-Bereich ein anderes Bild. Die Stromdichte steigt hier mit der Korngröße an, und weist wesentlich höhere Werte auf als im kleinen Feldbereich. Auch die Feldabhängigkeit entspricht nicht den Vorhersagen der Theorie der Josephson-Kontakte. Dies sind eindeutige Belege dafür, daß zumindest zwei Arten von Zwischenkornkontakten exisitieren, welche jeweils in unterschiedlichen Feldbereichen nachweisbar sind. Einerseits sehr schwache Kontakte (sog. "weak links") die als Josephsonkontakte beschrieben werden können und mit steigendem Feld rasch nichtsupraleitend werden, und andererseits Kontakte mit viel höherer Stromtragfähigkeit (sog. "strong links"), die auch in hohen Feldern Stromtransport über Kontaktgrenzen hinweg ermöglichen, und deren Verhalten nicht mehr im einfachen Bild eines Josephson-Netzewerkes beschrieben werden können.


Kurzfassung englisch:
Aim of the work was the investigation of the grain size dependence of the pinning behaviour of polycrystalline untextured YBa2Cu3Ox ceramics by measurements in a vibrating sample magnetometer as well as in a new built Hall magnetometer. Powders with different mean grain size and small grain size distributions were prepared. From these powders ceramics were sintered by a procedure which allowed the development of good contacts between the grains without significant grain growth. After the measurements the ceramics were ground to powders, trying to keep the grain size distribution as similar as possible to the one in the ceramics. The measurement of both the powders (starting powder and ground powder) and the ceramics allowed the separation of the inter- and intragrain superconducting properties. Both field- and grain size dependences of the critical current density and the mean effective activation energy were determined.

The Hall magnetometer, which was built up during this work, uses a differential method. Two Hall sensors are used. One of them on top of the sample senses both the signal from the sample and from the applied field, whereas the second one, which is situated in some distance from the sample senses only the applied field. Differentiation of the signals from both sensors allows the separation of the measuring signal from the background signal. The electronics is optimized to have highest sensitivity also in high applied fields. It was possible to measure both the spatial and time dependence of the local field even in fields of 15 T at 4.2 K. A model for calculation of the critical current density in the sample from the measured local field, which takes into account the granular nature of the superconductor, was developed and successfully tested.

The performed measurements in both magnetometers gave the following picture concerning the pinning behaviour. The separation of both the inter- and intragranular pinning properties was successfully done. Two different types of contacts between the grains were identified. First, contacts which can be described as a network of Josephson contacts. They have only low current densities and become nonsuperconducting in increasing fields (socalled "weak links"), and contacts with higher current densities, which allow current transport between grains also in high fields (socalled "strong links"). Those contacts show a different field- and grain size dependence than the Josephson contacts. The analysis of the mean effective activation energy shows, that an individual pinning exists in the intergrain region. It was shown that the pinning in the intergrain region can be made stronger than the pinning in the grains by optimizing the microstructure concerning the grain size.