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Dissertationen (eigene und begutachtete):

K. Hagen:
"Freiraum im Freiraum. Mikroklimatische Ansätze für die städtische Landschaftsarchitektur";
Betreuer/in(nen), Begutachter/in(nen): R. Stiles, E. Mursch-Radlgruber; Institut für Städtebau, Landschaftsarchitektur und Entwerfen, 2011; Rigorosum: 13.07.2011.



Kurzfassung deutsch:
Der Forschungsschwerpunkt liegt auf den Gebieten Klimaerwärmung, Stadtklima und dem Potential der Landschaftsarchitektur im Umgang mit der fortschreitenden Überwärmung innerstädtischer Strukturen. Vor dem Hintergrund der sich bereits abzeichnenden sowohl klimatischen als auch gesellschaftlichen Entwicklungen wird dieses Thema für eine nachhaltige Stadtentwicklung immer zentraler. Die vielfältigen Funktionen, die der städtische Freiraum unter ökologischen, ökonomischen und sozialen Aspekten ausübt, sind inzwischen allgemein anerkannt. Das den einzelnen Freiräumen spezifische lokale Klima spielt dabei eine wichtige Rolle. Die klimatischen Bedingungen entscheiden über Nutzbarkeit, Gestalt und Aufenthaltsqualität der Freiräume und über die Rahmenbedingungen für die angrenzende Bebauung - zum Beispiel darüber, wie Energieeffizienz erreicht werden kann. Besonders relevant wird das lokale Klima im wohnungsnahen Umfeld, in dem das (thermische) Wohlbefinden der Menschen und somit die Lebensqualität des Einzelnen einen extrem hohen Stellenwert haben.
Die vorliegende Arbeit ist auf der Suche nach effektiven landschaftsarchitektonischen Strategien, die eine Anpassung an die klimatischen Veränderungen unterstützen und dem steigenden Nutzerdruck auf den öffentlichen Freiraum gerecht werden. Hier besteht der Anspruch, den Anteil an dem immer wieder wissenschaftlich belegten positiven Effekt auf das Stadtklima durch ´Materialien´ wie Vegetation, Wasser und Luft (im Sinne von Belüftung und Ventilation) in den dichten Stadtstrukturen zu erhöhen. Gleichzeitig sollen die notwendigen flexibel nutzbaren Stadtflächen erhalten bleiben. In diesem Sinn konzentriert sich die Arbeit auf das Potential von Gestaltungsprinzipien, die den mikroklimatischen Effekt von Vegetation und Wasser in die Vertikale bringen. Die auf diese Art und Weise zusätzlich geschaffene Strukturierung der Freiräume hat den positiven Begleiteffekt, dass das lokale (Mikro-)Klima in den so geschaffenen kleineren Freiraumstrukturen wirksamer beeinflusst werden kann und sich somit die Aufenthaltsqualität lokal direkt verbessern lässt.
Parallel dazu geht es aber auch um die grundsätzliche Erforschung und Erprobung unterschiedlicher Methoden zur Untersuchung (mikro-)klimatischer Aspekte in Bezug auf ihre Anwendbarkeit für konkrete Stadtplanungsprozesse. Forschungsprojekte, die sich mit diesem Thema beschäftigen, nutzen meist mehrere Methoden für ihre Untersuchungen: Messreihen, Simulationen, Interviews, Experimente etc. Das spezielle Interesse der Dissertation gilt darüber hinaus der historischen Analyse, die bisher weitgehend vernachlässigt wurde. Ein unter klimatischen Aspekten herausragendes Beispiel sind hier die maurischen Gärten in Südspanien (al-Andalus). Die Mauren sind für ihr Bemühen um eine gelungene Akklimatisation (insbesondere der Vegetation) und für das Streben nach dem (thermischen) Wohlbefinden in all seinen Facetten bekannt. Die Schlüsse, die aus dieser mediterranen Gartenarchitektur gezogen werden können, sind auch deswegen für mitteleuropäische Städte interessant, weil Klimaszenarien belegen, dass sich das zukünftige mitteleuropäische dem des aktuellen mediterranen Klimas mit großer Geschwindigkeit annähert.
An diesem Punkt kommen die beiden Ansätze der Arbeit zusammen. Eine wesentliche Strategie in der Gestaltung maurischer Gärten ist die Schaffung umschlossener Gartenbereiche, die in direktem Zusammenhang mit einem bewusst geplanten Einsatz von Vegetation und Wasserelementen stehen. Der Vorteil der historischen Analyse ist dabei ein ganzheitlicher Ansatz, der sowohl sinnliche und gestalterische als auch funktionale Aspekte integriert. Diese Herangehensweise an eine landschaftsarchitektonische Raumbildung wurde auf einen mitteleuropäischen städtebaulichen Kontext übertragen und unter Verwendung der Simulationsmethode auf quantitativ messbare mikroklimatische Auswirkungen untersucht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass diese Methode eine starke Vereinfachung sowohl der Modellvarianten als auch der Rahmenbedingungen erfordert und grundsätzlich nur Tendenzen aufzeigen kann. Sie hat sich jedoch als hilfreiches Instrument zur Unterstützung der wissenschaftlichen Argumentationen und der nachvollziehbaren Veranschaulichung mikroklimatischer Aspekte in der Stadtplanung bewährt. Auf der Basis der Ergebnisse der vorangegangenen Untersuchungen wurde abschließend ein Datenblatt zur Erhebung mikroklimatisch bedingter Kriterien von zeitgenössischen Beispielen städtischer Landschaftsarchitektur in Mitteleuropa entwickelt. Diese Methode dient dem Aufzeigen von gestalterischen Umsetzungsmöglichkeiten und verdeutlicht den engen Zusammenhang zwischen sinnlichen und gestalterischen Aspekten und dem (thermischen) Wohlbefinden. Die exemplarisch untersuchten zeitgenössischen Beispiele zeigen Parallelen und sogar Analogien zu den Gestaltungspinzipien, die in den Untersuchungen zu maurischen Palastgärten generiert wurden, und verdeutlichen somit, dass es hier nicht um die Implementierung einer ´historisierenden´ Gestaltungssprache, sondern um Anregungen zu innovativen Gestaltungslösungen geht.
Die Ergebnisse der einzelnen Untersuchungen bestätigen grundsätzlich das vielversprechende Potential einer landschaftsarchitektonischen Raumbildung im Freiraum. Die vorliegende Arbeit zeigt die Vor- und Nachteile der angewandten Methoden und verdeutlicht den Vorteil der Verwendung einer Methodenvielfalt für konkrete Stadtplanungsprozesse. Dabei bestätigen und ergänzen sich die Methoden untereinander und bilden zusammen ein wichtiges Instrument für eine Diskussionsbasis und Bewusstseinsstärkung in Bezug auf mikroklimatische Aspekte für eine zukünftige und nachhaltige Stadtentwicklung.

Kurzfassung englisch:
The research focuses on topics of climate change in general and specifically on urban climate and the potential of urban landscape architecture in regard to these issues. Against the background of current climatic and societal changes urban `open´ spaces in general and their specific microclimate in particular will play an essential role for the sustainable urban development. Climate will be a decisive factor for issues like design, usability and quality of urban open spaces and it will also be crucial for e.g. energy-efficiency of adjacent buildings. These microclimatic aspects will become especially relevant since (thermal) well-being and the quality of life are most important criteria within living areas.
The research on hand is looking for effective strategies in landscape architecture to enhance adaptation to changing climatic conditions and at the same time to cope with the mounting pressure on public open space to guarantee the well-being of populations in flux. The aim is to increase the use of `materials´ like vegetation, water surfaces and air (i.e. airing and ventilation) - a strategy which has been proven by a variety of studies to have the most positive effect on microclimate - while at the same time not reducing the required ´free´ urban surface for flexible needs and uses. This could for instance be accomplished by moving vegetation and water surfaces into a vertical dimension.
On the other hand this study will investigate various research methods in order to better understand their applicability in urban planning processes. Research projects on urban climate tend to take their empirical methods from the natural and social sciences, i.e. measurements, simulations and various ways to collect personal experiences (interviews, oral history). The interest of this study is focussed on a historical investigation and analysis - a research method that seems to have been neglected so far in this context - the Moorish gardens of al-Andalus in Southern Spain being an outstanding example. The Moors are highly renowned for their knowledge in acclimatisation (especially of plants) and their pursuit of thermal and sensual well-being. Another reason to direct research especially on these historic Mediterranean gardens is the fact that the climate of Central European cities tends towards Mediterranean climate conditions due to global warming. Contemporary technical developments and solutions should therefore merge with the experience of successful historic strategies.
A main design principle with regard to microclimatic aspects of Moorish landscape gardening is the enclosure of garden areas by using vegetation as a structural element (for instance vegetation `walls´ and hedges) and the integration of water in all dimensions. The study analyses the underlying design principles and is searching for adequate research methods to transfer the findings to an urban Central European context. Applying (among other strategies) the simulation method, various design-models are being tested for their microclimatic effects on typical urban layouts. The next step involved collecting, categorizing and scrutinizing contemporary examples of European urban landscape design that might show certain affinities to the historical findings.
The findings will help to establish a coherent basis for discussions on urban planning processes.