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Zeitschriftenartikel:

W Oberndorfer:
"Der Irrtum mit der örtlichen Bauaufsicht";
KONSTRUKTIV, Mai (2001), S. 1 - 2.



Kurzfassung deutsch:
Immer wieder wird von Gutachtern vor Gericht, in Schiedsverfahren oder in Versicherungsfällen für Schäden bei der Bauausführung der ÖBA eine Mithaftung zugewiesen. Da dies in den meisten Fällen aus vertraglicher Sicht nicht berechtigt ist, wird hier versucht klarzumachen, warum dies kein Widerspruch mit den Aufgaben der ÖBA in bauwirtschaftlicher Hinsicht ist.
Um die Funktion der ÖBA zu verstehen, ist der tiefere Sinn, der "Grund"-Sinn der ÖBA zu enthüllen: die ÖBA soll den Bauherrn vor Verzügen, Kostenerhöhungen und Vermögensschäden im Zuge der Herstellung des Werkes, insoweit sie durch ihn verringerbar oder gänzlich abwendbar sind, bewahren. Damit lassen sich die 3 Hauptfunktionen der ÖBA wie folgt strukturieren (es wird vom Leistungsbild der ÖBA gem. GOA und gem. GOB-I ausgegangen; kleinere Abweichungen zwischen diesen beiden sind hier ohne Bedeutung):
(1) Die raum-zeitliche Koordinierung der Einzelunternehmer auf der Baustelle incl. Terminkontrolle.
(2) Die Kontrolle der vertragsgemäßen Herstellung des Werkes. Dies bedeutet: Kontrolle, ob die geologischen und hydrologischen Voraussetzungen für die Planung gegeben sind (z. B. Bodengüte, Grundwasser); Kontrolle, ob alle Genehmigungen vorhanden sind; Erkennen offensichtlicher Verstöße gegen Regeln der Technik in Plänen; Kontrolle, ob die Ausführungspläne auch so bei der Herstellung umgesetzt werden (z. B. hinsichtlich Baustoffe, Abmessungen); Erkennen von Ergänzungs- oder Änderungsnotwendigkeiten in Plänen; Einforderung aller vertraglichen Prüfungen und Nachweise; Kontrolle, ob bei der Herstellung Regeln der Technik eingehalten werden (z. B. Ausschalfristen); Prüfung Mengenberechnung und Abrechnung; Dokumentation von Abweichungen der vertraglichen Randbedingungen für die Leistungserstellung als Grundlage für Anerkennung oder Abwehr von Mehrkostenforderungen; lfd. Mängelfeststellung; Abnahme des Werkes.
(3) Direkte Bauherrnvertretung. Dies bedeutet: Führung Baubuch; Bestätigung Aufmaße; (i.d.R.) Ausübung Hausherrnrecht; Maßnahmen bei Gefahr in Verzug.

Hinter den Leistungsbildern der ÖBA in GOA und GOB-I steht dieses Verständnis von der Funktion und der ÖBA kann nur dann ein Vorwurf bei einem Bauschaden oder einem Verzug gemacht werden, wenn sie entweder eine aus den obigen Funktionen sich ergebende oder in ihrem Vertrag ausdrücklich vereinbarte Pflicht schuldhaft verletzt hat oder wenn ihr, im Rahmen der von ihr erwartbaren Präsenz auf der Baustelle, eine qualitativ minderwertige Herstellung auffallen mußte und vermeidbar gewesen wäre.
Um diese Pflicht, insoweit Zweifel bestehen sollten, noch zu präzisieren, ist zu berücksichtigen, daß für die mängelfreie Herstellung des Werkes nach den Plänen des Architekten und Tragwerkplaners der Unternehmer grundsätzlich die volle Haftung trägt. Solange der ÖBA gegen keine die o. e. Pflichten verstoßen hat, kann sich der Unternehmer nicht darauf berufen, daß die ÖBA die Kontrolle vernachlässigt habe und bei ordnungsgemäßer Durchführung der Kontrolle der Schaden hätte vermieden werden können. Weil die Haftung des Unternehmers grundsätzlich umfassend ist und weil aus bauvertraglicher Sicht dem Bauherrn kein Vorwurf gemacht werden kann, daß er keine ÖBA eingesetzt hat, wird in Fällen, in denen der ÖBA eine Verletzung ihrer vertraglichen Pflichten vorgeworfen werden kann, grundsätzlich nur eine geringe Quote an einem entstandenen Schaden zuzurechnen sein. Und dies auch nur dann, wenn der Bauherr die Haftung der ÖBA ausdrücklich in Anspruch nimmt, was er ja nicht muß. Er wird dies z. B. sicherlich nicht tun, wenn die ÖBA von seien Dienstnehmern ausgeübt wird.
Diese Ausführungen gehen natürlich konform mit der Philosophie der ÖN B 2110 und der Judikatur (zuletzt 4 Ob 79/98s).

Tips:
Ein Bauschaden, der bei einer nicht näher spezifizierten genauen (oder sogar pedantischen) örtlichen Überwachung der Herstellung des Werkes möglicherweise vermeidbar gewesen wäre, genügt nicht, um die Haftung der ÖBA auszulösen. Dazu ist zu klären, ob eine konkret festgelegte oder aus dem Leistungsbild sich schlüssig ergebende konkrete Pflicht verletzt wurde und ob der Bauherr die Haftung der ÖBA ausdrücklich in Anspruch nimmt.

Erstellt aus der Publikationsdatenbank der Technischen Universität Wien.