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Zeitschriftenartikel:

W Oberndorfer:
"Die Mengenänderungsklausel der ÖNORM B2110 (k)ein Problem";
Österreichische Bauzeitung, Nr. 42 (2002), S. 1 - 2.



Kurzfassung deutsch:
Es muss Herrn Wolkerstorfer ein aufrichtiges Kompliment für die historisch-kritische Analyse der 20%-Klausel gemacht werden. Aus wissenschaftlicher Sicht sind jedoch der Vollständigkeit und Objektivität halber einige Anmerkungen zu machen:

1. Im Literaturverzeichnis fehlt der Beitrag Jureckas in der Festschrift für Josef Kühne zum 60. Geburtstag: „Die Preisänderungsklausel bei Mengenänderungen in den Verdingungsnormen des Bauwesens“, Verlag Orac, Wien 1984.
In diesem Aufsatz stellt Jurecka das 1. Mal seine Interpretation der 20%-Klausel vor, noch vor dem Erscheinen des Kommentars zu den ÖNORMEN des Vergabe- und Verdingungswesens.

2. Die Interpretation der 20%-Klausel durch Jurecka ist eine Einzelmeinung. Kein Autor hat sich ihr angeschlossen, vor allem fehlt ihr jede Flankendeckung von juristischer Seite. Im OGH-Urteil 1 Ob 42/86 vom 24.7.1987 (WBl 1987, 219) wird erstmals klargestellt, dass dem Unternehmer für erhöhten Arbeitseinsatz und erhöhte Aufwendungen, die dazu dienen, Behinderungen aus der Bestellersphäre wettzumachen, gem. § 1168 Abs. 1 eine Entschädigung durch Aufstockung des Werklohnes gebührt, so wie bereits Krejci in Rummel, ABGB, § 1168, Rz 25, 28 dies fordert. Die 1. Auflage, in der von Krejci bereits diese Meinung vertreten wurde, stammt aus dem Jahr 1983. Die von Krejci benannten Kosten entsprechen übrigens genau jenen Kosten, die Jurecka als Erschwernisse und Forcierungskosten bezeichnet. Es existiert kein OGH-Urteil, das die Interpretation der 20%-Klausel in dem Sinn, dass alle Mehraufwendungen, die auch nur irgendwie mit Mengenänderungen in Zusammenhang gebracht werden können, gemäß dieser zu vergüten sind, bestätigt. Es ist daher nicht korrekt davon auszugehen, dass alle Mehr- und Minderkosten, die sich bei Mengenänderungen kalkulatorisch irgendwie begründen ließen, bis zur ÖNORM B 2110, Ausgabe 1995 über die 20%-Klausel zu vergüten waren.

3. Grundsatz der Interpretation einer Vertragsbestimmung ist die Erforschung des Willens und der Absicht der Vertragspartner bei der Formulierung dieser Bestimmung. Dies hat im konkreten Streitfall ein Gericht festzustellen. Eine ÖNORM-Bestimmung kann in einem konkreten Vertrag durch Ergänzungen und Abänderungen eine andere Bedeutung bekommen.

4. Problem Mengenmehrungen auf Anordnung des AG: Bei der Anordnung einer Mengenmehrung durch den AG ist zuerst die Frage zu beantworten, ob die zusätzliche Menge von der gleichen Art und unter den gleichen Umständen für die Leistungserbringung zu leisten ist wie die vertragliche Menge.

Ist dies mit NEIN zu beantworten, hat der Unternehmer den Anspruch, für diese vom Vertrag abweichende Leistung einen Zusatzauftrag, auf den Preisgrundlagen des Vertrages aufbauend zu erhalten.

Ist diese Frage mit JA zu beantworten, ist es rational nicht nachvollziehbar, warum die angeordnete Mengenänderung nicht unter die 20%-Klausel fallen sollte.

Erstellt aus der Publikationsdatenbank der Technischen Universität Wien.