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Wissenschaftliche Berichte:

R. Fehringer, H. Rechberger, P.H. Brunner:
"Positivlisten in der Zementindustrie: Methoden und Ansätze (Projekt PRIZMA)";
Bericht für Vereinigung der österreichischen Zementwerke (VÖZ); 1999.



Kurzfassung deutsch:
Aufgrund der österreichischen Deponieverordnung dürfen nach 2004 nur noch heizwertarme Abfälle deponiert werden. Es stellt sich nun die Frage, welche brennbaren Abfälle die Zementindustrie übernehmen und energetisch, unter gewissen Bedingungen auch stofflich verwerten soll. In der vorliegenden Studie wurden Ansätze zur Beantwortung dieser Frage ausgearbeitet.

Das Ziel des Projektes bestand darin, auf der Grundlage des österreichischen Abfallwirtschaftsgesetzes Methoden zu entwickeln, mit denen der Einsatz von Abfallbrennstoffen in Zementdrehrohröfen in stofflicher Hinsicht (Emissionen, Produktqualität, Stoffflüsse) beurteilt werden kann. Die Resultate sollen es den Beteiligten ermöglichen, sogenannte Positivlisten zu erstellen.

Derzeit werden in der österreichischen Zementindustrie jährlich 9,8 Mio. Gigajoule an Brennstoffwärmeleistung benötigt. Dies würde rund 400.000 Tonnen Alternativbrennstoffen mit einem durchschnittlichen Heizwert von 24 MJ/kg entsprechen. Die Frage lautet, welcher Anteil dieser Menge in der Zementindustrie umwelt- und produktverträglich eingesetzt werden kann. Zur Beantwortung mussten prozess- und stoffspezifische Kenntnisse eingesetzt werden, die teilweise für dieses Projekt noch nicht vorhanden waren (z.B. Transferkoeffizienten brennstoffbürtiger Stoffe). Das Vorgehen umfasste deshalb folgende zwei Schritte:

Es wurden Modellvorstellungen über die Verteilung von Stoffen auf Produkte und Emissionen bei der Klinkerherstellung entwickelt. Auf der Basis dieser Modelle und anhand von Daten der Zementindustrie wurden die Transferkoeffizienten, Einbindegrade und Abscheidegrade ausgewählter Stoffe für die zwei in Österreich üblichen Zementherstellungsverfahren berechnet.

Um die Ziele der Abfallwirtschaft bezüglich der Fragestellung dieser Arbeit zu konkretisieren, wurden zahlreiche Methoden entwickelt und untersucht. Schlussendlich wurden drei relevante Ansätze eingesetzt, um zu bewerten, welche Abfälle sich für einen Einsatz in der Zementindustrie eignen. Diese Ansätze konzentrieren sich auf die abgasseitigen Emissionen (A), die Qualität der Produkte (B1: Klinker, B2: Zement), sowie den Stoffanteil den die Zementindustrie übernimmt (C). Für die Wahl des Ansatz C war maßgebend, dass ein beträchtlicher Anteil des gesamten volkswirtschaftlichen Flusses einzelner potentieller Schadstoffe wie z.B. Cadmium in den brennbaren Abfällen enthalten ist.

Folgende Resultate wurden erhalten:

Die vorhandene Datengrundlage der Zementindustrie ist geeignet, um derzeitige Fragen der Luftreinhaltung (Grenzwertvergleich) und der Produktqualität zu beantworten. Sie genügt jedoch noch nicht, um bezüglich der Transferkoeffizienten zwischen rohstoff- und brennstoffbürtigen Emissionen zu unterscheiden. Zukünftige Messungen in Zementwerken sollten auch darauf ausgerichtet werden, die Fragen nach der Stoffverteilung, nach Einbinde- und Abscheidegrad exemplarisch für Alternativbrennstoffe zu beantworten.

Anhand der in dieser Studie entwickelten Ansätze können erste Positivlisten erstellt werden. Allerdings müssen die Akteure, die die Positivliste erstellen, vorerst eine subjektive Wertung der Ansätze durchführen. Je nach Standpunkt (Gewichtung des Vorsorgeprinzips, des vorhandenen und des fehlenden Wissens, wirtschaftlicher und volkswirtschaftlicher Aspekte) wird diese Wertung unterschiedlich ausfallen. Aus naturwissenschaftlich-technisch-ökologischer Sicht besteht noch kein genügendes Wissen, um klare, objektive Grenzen für eine definitive Positivliste zu erstellen. Dies liegt insbesondere auch darin begründet, dass im Rahmen dieses Projektes zahlreiche neue Fragestellungen z.B. über Transferkoeffizienten, letzte Senken, langfristige Prozesse, u.a. gefunden wurden. Da diese Fragen nicht einfach beantwortet werden können, sind Positivlisten heute ohne dieses Wissen zu erstellen.

Als Entscheidungsgrundlage eignet sich eine Kombination mehrerer Ansätze besser als ein Ansatz allein. Die Auswahl der zu untersuchenden Stoffe ist ebenfalls von großem Einfluss auf eine Positivliste. Generell gilt es bei den Ansätzen den Zusammenhang zwischen Stoffkonzentration und Alternativbrennstoffmasse zu beachten: Das Produkt dieser beiden Größen ergibt den gesamten Stofffluss, der für ökologische Fragestellungen oft wesentlich ist, und bis zur letzten Senke zu verfolgen ist. Je nach Stoffkonzentration und Masse der eingesetzten Alternativbrennstoffe ergeben unterschiedliche Ansätze unterschiedliche Reihenfolgen für eine obere Grenze des Alternativbrennstoffeinsatzes.

Es zeigt sich, dass bestehende und zukünftige lufthygienische Grenzwerte beim Einsatz großer Mengen an Alternativbrennstoffen eingehalten werden können. Auch die Qualität des Zements wird bei diesen Mengen nicht beeinträchtigt. Die österreichische Zementindustrie schlägt im Sinne des Vorsorgeprinzips vor, nur maximal rund 10-15 % des in den österreichischen Abfällen vorhandenen Flusses eines Schadstoffes zu übernehmen. Dies engt die Menge an potentiellen Brennstoffen nicht wesentlich ein. Die stärkste Einschränkung entsteht für das Rostvorwärmerverfahren bei der Beachtung der im Referenzverfahren (MVA) entstehenden aktuellen Emissionen (Ansatz A) und beim Zyklonvorwärmer je nach Berechnungsmethode bei der Beachtung der Emissionen (Ansatz A) respektive der Stoffkonzentrationen im Klinker (Ansatz B1).

Aufgrund der Unterschiede zwischen den einzelnen Standorten und Verfahren ist der Frage genereller oder spezifischer Positivlisten gebührende Aufmerksamkeit zu schenken.


Erstellt aus der Publikationsdatenbank der Technischen Universität Wien.