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Wissenschaftliche Berichte:

P.H. Brunner, G. Bauer:
"Bericht der Arbeitsgruppe "Abfälle-Rohstoffe" des NUP Arbeitskreises VI";
Bericht für NUP Arbeitskreis VI; 1994.



Kurzfassung deutsch:
Im vorliegenden Bericht wurden die im deutschsprachigen Europa während der letzten Jahrzehnte entwickelten Ziele, Grundsätze und Leitbilder der Abfallwirtschaft zusammengefasst. Das Österreichische Abfallwirtschaftsgesetz wurde aus ökologischer und rohstofforientierter Sicht beurteilt, und es wurde untersucht, wie die allgemein formulierten Ziele durch die Praxis der Abfallwirtschaft umgesetzt werden können.

Die Zielsetzung der modernen Abfallwirtschaft, wie sie auch im Österreichischen Abfallwirtschaftsgesetz formuliert ist, erweist sich als ausgesprochen zukunftsgerichtet: Die obersten Ziele sind der Schutz des Menschen und seiner Umwelt, die Schonung von Reserven an Rohstoffen, Energieträgern und Deponievolumen, und die ausschließliche Ablagerung von Abfällen, die kein Gefährdungspotential für nachfolgende Generationen darstellen (Vorsorgeprinzip). Diese Zielsetzung kann auch den Anforderungen einer nachhaltigen Wirtschaftsweise genügen. Als Grundsatz zur Erreichung der Ziele gilt die Hierarchie Vermeidung, Verwertung und Entsorgung von Abfällen.

Zwischen den Grundsätzen der Abfallwirtschaft und den Zielen der Volkswirtschaft besteht ein offensichtlicher Widerspruch. Die Volkswirtschaftlichen Aktivitäten haben die Wohlfahrt des Menschen zum Ziel, wobei Wohlfahrt materiell definiert ist und eine Steigerung der Wohlfahrt materielles Wachstum bedeutet. Die Abfallwirtschaft kennt als Grundsatz die Vermeidung, und verlangt, dass weniger materielle Güter zu entsorgen sind. Dieser Widerspruch ist zwar mittelfristig temporär lösbar durch eine Verlängerung der Lebensdauer und ein mehrfaches Wiederverwerten der Güter. Langfristig wird diese Strategie aber aus thermodynamischen und technologischen Gründen wieder eingeholt von der (materiellen) Wachstumswirtschaft. Es ist deshalb notwendig, dass die Ziele und Grundsätze der Volks- und der Abfallwirtschaft besser aufeinander abgestimmt werden. Aufgrund der Tatsache, dass die Ziele der Abfallwirtschaft in den 80er Jahren im gesellschaftlichen Konsens erarbeitet und neu definiert wurden, diejenigen der Volkswirtschaft jedoch über hundert Jahre alt sind, könnte man ableiten, dass ein Nachholbedarf eher auf der Seite der Volkswirtschaftlichen Ziele gegeben ist.

Aus der Abfallwirtschaft müssen Signale an die Wirtschaft ausgesandt werden, damit diese ihre Prozesse und Güter auch im Hinblick auf die Wiederverwertung und Entsorgung ausrichtet. Zusätzlich soll die Versorgungswirtschaft auch Verantwortung für Güter und Stoffe über die Produktion und den Konsum hinaus übernehmen und die gebrauchten Güter wieder für die Produktion neuer Güter einsetzen. Die Trennung von Versorgung und Entsorgung hat zur Folge, dass wesentliches Know-how verloren geht: Die Entsorger wissen in der Regel nur wenig über die Zusammensetzung und über die Wiederverwertungsmöglichkeiten eines Produktes.

Die drei Hauptziele Umweltschutz, Ressourcenschonung und gefährdungsfeie Deponierung bedingen, dass die Abfallwirtschaft neu ausgerichtet wird: Die Kurzzeitoptik wird ersetzt durch eine langfristige Sicht, und die Abfallwirtschaft wird Teil einer allgemeinen Stoffbewirtschaftung. Die Abfallwirtschaft als Ganzes muss umweltverträglich und rohstoffschonend sein, d.h. dass einzelne Maßnahmen (technische oder organisatorische Maßnahmen, Verordnungen etc.) in Bezug auf ihre Gesamtwirkung untersucht werden müssen. Beispielsweise ist die Wiederverwertung eines Abfalls dann der Entsorgung vorzuziehen, wenn die Gesamtbelastungen des Kreislaufs kleiner sind als bei der linearen Verwendung. Die Forderung nach der gefährdungsfreien Deponie bedeutet, dass nur noch inerte Materialien abgelagert werden sollen; Abfälle müssen vor ihrer Ablagerung so behandelt werden, dass sie in der Wechselwirkung mit Wasser, Boden und Luft nur noch umweltverträgliche Emissionen zur Folge haben. Diese in der neuen Deutschen Gesetzgebung enthaltene und auch in Österreich vorgesehene Regelung wird nur mit einem erheblichen technischen Aufwand (beispielsweise thermische Verwertung mit Rückstandsbehandlung) zu erfüllen sein. Aus ökologischer und rohstofforientierter Sicht ist dieser Aufwand gerechtfertigt: Die Entsorgung ist der Hauptprozess, um die Dissipation von Stoffen aus der Anthroposphäre in die Umwelt zu verhindern. Alle Stoffe, die nicht in der Anthroposphäre im Kreislauf geführt werden können (aus thermodynamischen Gründen sind dies je nach Stoff 5-90%), können nur entweder als Emissionen in die Umwelt gelangen oder sie werden in Deponien abgelagert. Je nach der Bewirtschaftung der Deponie können derart große Stofflager akkumuliert werden, dass sie in Zukunft möglicherweise wieder wirtschaftlich genützt werden können.

Die Abfallwirtschaft kann ihre Aufgabe dann effizient erfüllen, wenn sie in eine eigentliche Stoffbewirtschaftung integriert wird. Ein notwendiges Instrument für Stoff- und Abfallwirtschaft ist die Stoffbuchhaltung: Nur mit dem Wissen über die wichtigsten Quellen, Transporte bzw. Transformationen und Senken von Stoffen können wirtschaftlich und ökologisch optimale Entscheidungen bezüglich Umweltschutz und Ressourcennutzung getroffen werden. Dieses Wissen ist heute noch nicht vorhanden. Im Rahmen des NUP ist zu überlegen, ob in Zukunft auf verschiedenen Ebenen (Region, Branche, Nation etc.) die Stoffbuchhaltung eingeführt werden soll.

Erstellt aus der Publikationsdatenbank der Technischen Universität Wien.