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Wissenschaftliche Berichte:

S. Spaun, E. Schachermayer, T. Kaas, W. Lauber, P.H. Brunner:
"Entscheidungshilfen für die Verfahrensauswahl in der Abfallwirtschaft im Raum Oberösterreich/Salzburg - Teil 1: Vergleich mechanisch-biologische Vorbehandlung und thermische Behandlung (Projekt EVA-ROS)";
1994.



Kurzfassung deutsch:
In der Abfallwirtschaft werden Grundlagen benötigt für Entscheidungen über die Auswahl von Verfahren zur Verwertung und Behandlung von Abfällen. In der vorliegenden Arbeit wurden am Beispiel der Abfälle des Raumes Oberösterreich/Salzburg die beiden Varianten mechanisch-biologische Vorbehandlung (MBV) und Abfallverbrennung (AVA) miteinander verglichen. Als Ausgangslage wurde davon ausgegangen, dass Biomüll, Verpackungen, Papier und Problemstoffe aus Haushaltungen im üblichen Rahmen bereits separat eingesammelt und verwertet werden.

Die Untersuchung basierte auf der Methode der Stoffflussanalyse; sie schloss die für eine regionale Entsorgung wichtigsten Abfälle und Behandlungsverfahren mit ein. Das Ziel war die Beantwortung der Frage, ob zukünftig zusätzlich zur bestehenden Infrastruktur die mechanisch-biologische oder die thermische Behandlung abfallwirtschaftlich sinnvoller sei. Die Beurteilung der bestehenden Abfallwirtschaft war nicht Gegenstand dieser Arbeit.

Aus den Untersuchungen können einerseits allgemein gültige, generelle Schlüsse und andererseits spezifische Empfehlungen für die Region Salzburg Oberösterreich abgeleitet werden. Folgende allgemein gültige Resultate wurden erhalten:

1. Die mechanisch-biologische Vorbehandlung MBV und die thermische Verwertung AVA sind keine Alternativen. Die MBV ist eine Vorbehandlung und muss mit weiteren (Folge-)Verfahren ergänzt werden. Sie erfüllt nicht dieselben Ziele wie die Verbrennung. Die thermische Verwertung inklusive Nachbehandlung der Verbrennungsprodukte kann im Sinne der Ziele des AWG zusammen mit der nachfolgenden Deponie der Reststoffe als gesamtheitliche Lösung des Systemmüllproblems bezeichnet werden (wobei davon ausgegangen wird, dass vor der Verbrennung wichtige Fraktionen wie Biomasse, Papier, Glas und Metalle weitestmöglich separat erfasst und verwertet werden).

2. Ein Drittel der in der AVA verbrennbaren Abfallmenge kann aus stofflichen Gründen durch die MBV nicht verwertet werden (schlecht abbaubarer Kohlenstoff). Die AVA produziert vier umweltverträgliche Produkte und einen gefährlichen Abfall (2-3 Massenprozente des Input), bei der MBV entstehen zwei umweltverträgliche Produkte (30% des Inputs) und drei weiterzubehandelnde Reststoffe (70%), die die Ziele des AWG nicht erfüllen. Im Vergleich zur Verbrennung müssen 80 % der Abfälle bei der MBV in zusätzlichen, parallelen bzw. nachgeschalteten Verfahrensschritten behandelt werden.

3. Gegenüber der Reaktordeponie ohne Vorbehandlung wird bei der MBV das Volumen der Abfälle um rund ein Drittel reduziert. Der Beitrag der AVA zur Reduktion des Deponiebedarfs ist erheblich größer und beträgt rund 80 %.

4. Bei der AVA werden die Abfälle in eine weitgehend, aber nicht vollständig inerte Form übergeführt; wesentliche Schadstoffe werden in der Filterasche, die nur 2-3 % der Abfallmasse beträgt, konzentriert. Die Verbrennung erfüllt größtenteils die an sie gestellten Anforderungen der vollständigen Mineralisierung des Kohlenstoffs, der Immobilisierung der Stoffe und der Aufkonzentration der Schadstoffe. Die MBV verteilt die Schadstoffe auf vier verschiedene Reststoffe, die bei der Ablagerung kurz- und langfristig biochemisch weiter abgebaut werden und weder stabil noch immobil sind. Damit diese Reststoffe das Ziel des AWG §1 "nachsorgefreie Deponie" erfüllen, müssen sie intensiv weiterbehandelt werden, wobei für den Hauptteil der Reststoffe am ehesten eine thermische Behandlung sinnvoll ist.

5. Bei der AVA sind praktisch 100 % des Kohlenstoffs zur Energieerzeugung nutzbar, bei der MBV nur rund 20 %.

6. Die einzelnen Stoffe verhalten sich sehr unterschiedlich in den beiden Varianten: Kohlenstoff entweicht bei der AVA praktisch zu 100 % in die Atmosphäre, bei der MBV müssen zur Erreichung des Ziels "Inertisierung" nach der MBV 80 % des Kohlenstoffs in zusätzlichen Verfahren weiterbehandelt werden. Stickstoff wird bei der AVA vorwiegend als N2, zum kleineren Teil auch als NOx in die Atmosphäre abgegeben; bei der MBV wird Stickstoff während Jahrzehnten vorwiegend über den Wasserpfad (Deponiesickerwasser) als Nitrat, ev. Ammonium emittiert. Eisen wird bei beiden Varianten zu rund 90 % wiederverwertet, wobei die MBV gegenüber den bestehenden Projekten noch zusätzlich mit einem Magnetabscheider für die Schwerstofffraktion auszurüsten wäre. Cadmium wird bei der AVA zu 100 % erfasst und zu 90 % in den Filterstaub transferiert. Filterstaub ist gefährlicher Abfall, sollte jedoch in Zukunft stofflich genutzt werden (Pilotversuche zeigen die Machbarkeit). 10 % werden mit der Schlacke umweltverträglich deponiert. Bei der MBV werden 45 % des Cadmiums durch das Verfahren nicht erfasst; in die Deponie gelangen 10 %, wobei biochemische Reaktionen in der Deponie ablaufen und über die Mobilisierbarkeit des Cadmiums kein gesichertes Wissen besteht. 90 % des Cadmiums sind in fünf Fraktionen enthalten, die in zusätzlichen, noch nicht definierten Verfahren zu behandeln sind

7. Der Vergleich mit allen Abfallflüssen der Region (inkl. Industrie und Gewerbe) zeigt, dass die I+G Abfälle volumenmäßig zwar bedeutender sind, bezüglich einzelner Stoffe aber durchaus auch die kommunalen Abfälle wichtig sein können (Cadmium, Blei). Folgerung: Bezüglich Volumensminderung und Deponieraumschonung müsste die Priorität auf industriell-gewerbliche Abfälle gelegt werden, bezüglich Stoffen sind die kommunalen Abfälle ähnlich wichtig. Die MBV löst allein keine stofflichen Probleme, wohl aber die AVA. Um durch die MBV analoge Ziele wie durch die Verbrennung zu erfüllen (Konzentrierung, Immobilisierung und optimale Energieverwertung), müssten der MBV zusätzliche Behandlungsverfahren nachgeschaltet werden, die ähnlich aufwendig der Verbrennung sind. Aus diesen Gründen ist es notwendig, diese nachgeschalteten Verfahren in den Verfahrensvergleich miteinzubeziehen. Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn die Kostenfrage abgeklärt werden soll. Keinesfalls dürfen die Kosten der Verbrennung den Kosten der Mechanisch/biologischen Vorbehandlung allein gegenübergestellt werden.

Für Salzburg/Oberösterreich ergeben sich folgende spezifische Schlüsse:

8. Da Salzburg in der Siggerwiesen bereits über eine moderne anaerob-aerobe Verwertungsanlage für Biomüll verfügt, ist es für die Zukunft weder ökonomisch noch abfallwirtschaftlich sinnvoll, zusätzlich zu den heute bestehenden Verfahren eine mechanisch-biologische Behandlung für den Restmüll einzuführen. In Anbetracht der zukünftigen, neuen Deponieverordnung scheint es eher angezeigt, die Möglichkeiten einer thermischen Verwertung der in der Anlage Siggerwiesen anfallenden Reststoffe zu untersuchen.

9. Da der Ist-Zustand der Abfallwirtschaft in Oberösterreich in dieser Arbeit nicht untersucht wurde, können konkrete Empfehlungen für die regionale Verfahrenswahl zur Ergänzung der bestehenden Abfallwirtschaft nicht gegeben werden. Generell kann Regionen empfohlen werden, für den Restmüll mittel- bis langfristig einen Anschluss an thermische Verwertungskapazität zu suchen oder, bei entsprechender Regionsgröße und Infrastruktur, sich selbst solche Kapazität zu verschaffen. Dies ist vor allem im Hinblick auf die zukünftige Deponieverordnung angezeigt. Die mechanisch-biologische Vorbehandlung des Restmülls könnte allenfalls als Übergangslösung die Nutzungsdauer vorhandenen Deponieraumes um rund einen Drittel verlängern. Vor einem Entscheid müsste allerdings ein umfassender Kostenvergleich durchgeführt werden, in den auch die zusätzlichen Behandlungsverfahren miteinzuschließen sind, die benötigt werden, um die in der MBV nicht verwertbaren Abfälle zu entsorgen.

Erstellt aus der Publikationsdatenbank der Technischen Universität Wien.