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Wissenschaftliche Berichte:

E. Glenck, T. Lahner, M. Arendt, P.H. Brunner:
"Baurestmassen in Oberösterreich, Stoffbilanzen der Bauwirtschaft (Projekt BRIO-S)";
1997.



Kurzfassung deutsch:
Bedingt durch den in den letzten Jahrzehnten zunehmenden Einsatz von Bauchemikalien, Kunststoffen, Verbundmaterialien und Metallen im Bauwesen müssen heute auch zunehmend auch stoffliche Aspekte in der Bewirtschaftung von Baurestmassen berücksichtigt werden. Wenig bekannt ist derzeit, welche Rolle die Bauwerke und die Bewirtschaftung von Baurestmassen als Quelle von diffusen und punktuellen Stoffeinträgen in die Umwelt mittel- und langfristig einnehmen. Auch die Auswirkungen von Verunreinigungen in Sekundärbaustoffen auf die bautechnischen Eigenschaften sind noch wenig untersucht. Diese beiden Kenntnisse sind jedoch notwendig für Lenkungsmaßnahmen bezüglich des Recycling von Baumaterialien mit dem Ziel des langfristigen Umweltschutzes und der optimalen Ressourcennutzung.

Das Ziel der vorliegenden Arbeit bestand darin, zu prüfen, ob und wie Stoffbilanzen der Bewirtschaftung von Baurestmassen machbar sind. Zu diesem Zweck wurden neben eigenen Arbeiten auch Studien der Technischen Universität Wien benutzt, die bereits früher durchgeführt wurden. Im Weiteren wurde in ersten Ansätzen versucht, die Ziele des österreichischen Abfallwirtschaftsgesetzes so weit zu konkretisieren, daß sie als Lenkungskriterien für die Bewirtschaftung von Baurestmassen benutzt werden können.

Die Resultate der Studie zeigen, daß derzeit die Erstellung von detaillierten regionalen Stoffbilanzen nur mit großem Aufwand möglich ist. Die Hauptursache dafür liegt in der ungenügenden Datenlage. Hingegen lassen sich abgegrenzte Einzelfragen relativ leicht beantworten; sie wurden exemplarisch in Form von Fallstudien diskutiert.

Die nachfolgenden Fallstudien (Punkte 1 bis 3) zeigen, daß einzelne Stoffe in den Bauwerken sowohl beim Gebrauch als auch bei der Entsorgung von Baurestmassen einen signifikanten Beitrag zur regionalen Emissionssituation in Oberösterreich leisten können. Die Aufbereitungsanlagen und Deponien sind für die künftige chemische Zusammensetzung (Änderung der stofflichen Qualität) und Massen (Behandlungskapazität) von Bauabfällen noch nicht ausgerüstet.

1. Das Wissen über Art, Zusammensetzung und Verbleib der Baurestmassen ist zu vertiefen

Der theoretisch berechnete Baurestmassenanfall beträgt zwischen 1.000-2.300 Kilogramm je Einwohner und Jahr. Die derzeit in der Abfallwirtschaft erfaßte Menge beläuft sich auf 400 kg/E.a, daher liegt die nicht erfaßte Masse bei 600-1.900 kg/E.a. Auf Baustellen verbleiben davon höchstens 100 kg/E.a. Die darin enthaltenen Stoffe verteilen sich unkontrolliert und diffus auf jährlich etwa 10.000 Baustellen. Das chemische Verhalten und der Verbleib der restlichen Masse (500 bis 1.800 kg/E.a) bleiben unbekannt und stellen ein Gefährdungspotential dar. Ziel ist es daher, sämtliche Baurestmassen auf Baustellen zu erfassen und je nach chemischer Zusammensetzung entweder der Wiederverwertung oder der Deponie zuzuführen.


2. Das Bauwesen errichtet große Lager an Stoffen, die zukünftig neue Strategien für Wiederverwertung und Deponie erfordern

2.1 Das rasch zunehmende Lager an Gips als zukünftige Herausforderung

Der Gipsverbrauch im Bauwesen steigt zur Zeit stark an und ist 3 bis 6 mal höher als der Gipsanfall in Baurestmassen, d.h. ein großes anthropogenes Gips- und damit Schwefellager wird angehäuft. Die Gipsmasse in Bauwerken verdoppelt sich innerhalb von rund 10 Jahren. Die aus Aufbereitungsanlagen rezyklierten Gipsmengen stellen heute nur rund 1 % des Gipsinputs dar. Da Sulfate im Zuschlag die Betonqualität beeinflussen, ist eine Erhöhung des Gipsanteils in Baurestmassen mit einer Einschränkung der Recyclingmöglichkeiten verbunden. Die zukünftig zu deponierenden Baurestmassen werden einen wesentlich höheren Gipsanteil enthalten; dies wird die chemischen Reaktionen der Deponiekörper wie auch die Sickerwasser-Zusammensetzung beeinflussen. Zukünftig ist ein Konzept für die Bewirtschaftung des Gipses in Baurestmassen zu erstellen. Ziel dieses Konzeptes muß es sein, die langfristige mehrfache Wiederverwertung von Baurestmassen durch die Aufkonzentrierung von Gips nicht zu gefährden, und die Endlagereigenschaften der zu deponierende Baurestmassen zu gewährleisten. Es ist zu prüfen, inwiefern die getrennte Erfassung des Gipses, beispielsweise durch selektiven Rückbau oder eine gezielte Sortierung, in der Praxis möglich und wirtschaftlich ist.

2.2 Das Baurestholz muß in dafür geeigneten Anlagen thermisch genutzt werden

Aufgrund der chemischen Zusammensetzung stellt Baurestholz bei unsachgemäßer Behandlung eine Gefährdung für Menschen und Umwelt dar. Die Verbrennung von behandelten Bauresthölzern im Freien oder in Anlagen ohne weitergehende Rauchgasreinigung verursacht sehr große Schadstoffemissionen. Für Cl, Cd, Zn, Pb, As, Hg, Cu und Cr läßt sich berechnen, daß die Emissionen aus der Verbrennung von Baurestholz bis 10.000 größer sein können als die Emissionen, die entstehen würden, wenn der gesamte österreichische Restmüll in Müllverbrennungsanlagen nach dem Stand der Technik verbrannt würde. Folgende Empfehlungen können daher gemacht werden:

Die Entsorgung von behandelten, beschichteten und verschmutzten Bauresthölzern muß in dafür geeigneten Verbrennungsanlagen mit weitergehender Rauchgasreinigung erfolgen,
Das Altholz, dessen Unbedenklichkeit nicht nachgewiesen werden kann, muß als kontaminiert betrachtet und in entsprechenden Anlagen behandelt werden.
2.3 Die Kunststofflager im Bauwesen müssen zukünftig durch thermische Verwertung genutzt werden

Die derzeit im Bauwesen eingebauten Kunststoffe werden erst nach 10-50 Jahren in der Abfallwirtschaft anfallen. Die stoffliche Zusammensetzung der einzelnen Kunststoffprodukte ist derzeit kaum dokumentiert und stellt eine Schadstoffquelle für die Umwelt dar (Ba, Cd, Sn, Pb). Derzeit werden in Österreich jährlich rund 600.000 Tonnen Kunststoffe deponiert (dies entspricht einer ähnlich großer Menge Heizöl). Rund ein Viertel davon stammt aus dem Bauwesen. Dies steht einerseits im klaren Widerspruch zur Deponieverordnung (5 % TOC, 6.000 kJ) wie auch zum Abfallwirtschaftsgesetz ("optimale Schonung von Energie und Rohstoffen"). Der künftig notwendige Behandlungsbedarf (z.B. stoffliche und thermische Verwertung) ist derzeit unbekannt.

2.4 Das Bauwesen ist die größte Quelle von FCKW-Emissionen

Im Bauwesen wurden FCKWs v.a. für die Herstellung von Dämmaterialien verwendet. Die sich derzeit im bautechnischen Einsatz befindlichen FCKWs werden unkontrolliert entsorgt. Das Bauwesen und die Deponien verursachen heute die größten FCKW-Emissionen in die Atmosphäre. Empfohlen werden daher (1) eine gezielte Erfassung der FCKWenthaltenden Güter beim Abbruch und (2) eine thermische Behandlung von FCKW-Abfällen in dafür geeigneten Anlagen.

3. Die Baurestmassen-Sortieranlagen sollen nach stofflichen Gesichtspunkten fraktionieren

Sowohl nasse wie auch trockene Sortierverfahren für Baurestmassen erzeugen Sortierfraktionen, die noch nicht Erdkrustenqualität aufweisen. Die Verunreinigungen der einzelnen Fraktionen können einerseits die Verwertung im Bauwesen gefährden. Andererseits beeinflussen sie das Deponieverhalten negativ. In Zukunft ist das Verhalten von Sortierfraktionen sowohl in der bautechnischen Anwendung wie auch in der Umwelt (Deponie, Verfüllungen, usw.) zu untersuchen und der Beitrag der Baurestmassen-Aufbereitung zu den regionalen Stoffflüssen kurz- und mittelfristig zu bestimmen.

4. Empfehlungen

Aufgrund der Ergebnisse der vorliegenden Studie werden folgende Schwerpunkte empfohlen:


1. Setzen von Zielen und Maßnahmen, daß vermehrt Reststoffe aus dem Bauwesen stofflich und thermisch verwertet werden:

keine Deponierung von Kunststoffen, Altholz, FCKWs und thermisch verwertbaren Baumaterialien)
Förderung der separaten Erfassung von verwertbaren Baumaterialien ("selektiver Rückbau")
Setzen von ökologischen und bautechnologischen Qualitätszielen für die Fraktionen von Baurestmassen-Sortieranlagen wie auch für den "Rückbau"
2. Verbesserung der Datenlage:

auf Güterebene (z.B. Bezirke, Gemeinden), um die bestehenden Unsicherheiten bezüglich der Bewirtschaftung von Baurestmassen zu verringern
über die stoffliche Zusammensetzung von Baurestmassen; Vergleich der stofflichen Qualität bzw. Reinheitsgrad zwischen primären und sekundären Baumaterialien; detaillierte stoffliche Bilanzierung der abfallwirtschaftlichen Prozesse, um die Flüsse zurück in das Bauwesen sowie die Restflüsse in die Umwelt zu bestimmen
3. Begleitende Erfolgskontrolle am Beispiel Baurestmassen:

In welchen Schritten sollen diese Ziele erreicht werden?
Mit welchen Mitteln soll geprüft werden, ob diese Ziele erreicht werden?
Möglichkeiten und Grenzen der Wiederverwertung
Sinnhaftigkeit und Rechtfertigung von Grenzwerten
Energieverbrauch bei der Herstellung primärer und sekundärer Baustoffe


Elektronische Version der Publikation:
http://www.iwa.tuwien.ac.at/htmd2264/publikat/aws-publikationen/Publikationen/1997/BRIO-S%20Vorstudie.pdf


Erstellt aus der Publikationsdatenbank der Technischen Universität Wien.