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Dissertationen (eigene und begutachtete):

M. Surböck:
"Städtischer Raum und Sicherheit";
Betreuer/in(nen), Begutachter/in(nen): K Semsroth; Institut für Städtebau und Raumplanung, 1994.



Kurzfassung deutsch:
Einflüsse der Stadtgestaltung und Stadtplanung auf die Sicherheit der Menschen vor Kriminalität

Die Entwicklung der Schutzfunktion des Raumes:
Die Planung und Gestaltung menschlicher Aufenthaltsbereiche hatte seit jeher verschiedene Funktionen zu erfüllen, wobei die Definition eines mehr oder weniger umfangreichen Territoriums für den einzelnen als Grundvoraussetzung angesehen werden kann. Eine wichtige zu bewältigende Aufgabe war es stets, Sicherheit zu gewährleisten. Dies erfolgt bereits bei der Auswahl eines geeigneten Geländes zur Besiedelung. Galt es früher in erster Linie den Gefahren der Natur zu widerstehen, so haben sich die Bedrohungsbilder im Lauf der Zeit grundlegend verändert. Natürliche Gefahren gelten als weitgehend entschärft, wenngleich manche noch immer zu verheerenden Katastrophen führen.

Während die Gestaltung des unmittelbaren Wohn- und Arbeitsumfeldes der persönlichen Sicherheit dient, gab und gibt es eine Reihe von kommunalen Sicherungsbauten, die sich in ihrer Gestalt einprägsam mitteilen. Das Ensemble von Gebäuden und geschlossenen Häuserreihen, die eine Siedlung erst ausmachen, erfüllen diese Aufgabe in subtiler Weise. Die Befestigungsanlagen des Mittelalters mußten massiven Bedrohungen widerstehen können. Ihre Funktion ist aus der Gestalt leicht ablesbar. Die Weiterentwicklung dieser Bauten bis zur Perfektion mündet in Idealstadtmodelle, deren Erscheinungsbild ihrem Zweck in optimaler Weise Rechnung trägt. Seit militärische Bedrohungen mit Hilfe der Stadtgestaltung nicht mehr abgehalten werden können, haben die entsprechenden Einrichtungen ihre Bedeutung verloren.


Sicherheit:
Der heute geltende Sicherheitsbegriff unterscheidet sich weitgehend von früheren Versionen. Er muß einer sich dauernd vergrößernden Palette von Gefahren genügen. Neue Gefahren, welche mit den technischen Möglichkeiten wachsen, bedrohen Gesundheit und Leben der Menschen in einem bisher unbekannten Ausmaß. Die Technik eröffnet jedoch auch Möglichkeiten, manche Bedrohungen zu beseitigen oder zu entschärfen. Das große Sicherheitsbewußtsein heute hat seinen Ursprung in der Lebenseinstellung und diese wird entscheidend von der Dauer der Lebensspanne geprägt. Zunehmende Lebenserwartung erfordert vorausschauende Planung und ein großes Maß an Risikobewußtsein. Dieses ist jedoch ungleich verteilt. Denn selbst eingegangene Risiken werden toleranter bewertet als Gefahren durch andere.


Kriminalität:
Kriminalität stellt eine Bedrohung dar, welche die Menschen in den besiedelten Gebieten in unterschiedlichem Maß betrifft. Mit zunehmender Besiedlungsdichte und damit insbesondere in den Städten wird diese Bedrohung zu einer Belastung des öffentlichen Lebens. Oftmals ist das Ausmaß und die Qualität der Kriminalität von bestimmten räumlichen und flächennutzungsspezifischen Parametern abhängig. In der vorliegenden Arbeit wird versucht, diese Zusammenhänge aufzuzeigen und zu erläutern, welchen Stellenwert Maßnahmen der Stadtplanung und Stadtgestaltung im Rahmen einer umfassenden Kriminalitätsprävention haben können. In einer Zusammenfassung werden mögliche Maßnahmen für ausgewählte Flächen-Nutzungen dargestellt.

Eine Gesellschaft, die Kriminalität hervorbringt, verfügt auch über eine Reihe von Strategien im Umgang mit damit. Dazu zählen nicht nur institutionalisierte wie jene, die auf die Mithilfe von Polizei und Gerichten angewiesen sind, oft nur der Darstellung und Durchsetzung von Staatsmacht dienen und den Menschen in sehr unterschiedlichem Ausmaß zur Verfügung stehen. Der Großteil deliktischen Handelns zählt zum nicht erfaßten Dunkelfeld in der Kriminalität, das von den Tätern und Opfern auf unterschiedlichste Weise, teils erfolgreich, teils unbefriedigend aufgearbeitet wird.

Das Ausmaß der tatsächlichen Bedrohung der Menschen durch Kriminalität steht oft in keiner Relation zum an bestimmten Orten empfundenen Bedrohtheitsgefühl. Manche "Angsträume" verursachen Furcht, ohne daß erhöhtes Risiko vorhanden ist, während andere nicht bedrohlich wirken, obwohl in ihnen nachweislich häufig kriminelle Taten verübt werden. Besonders Frauen sind davon betroffen. Denn der Großteil der Kriminalität gegen Frauen findet in ihren Wohnungen statt und die Täter sind Freunde oder Bekannte. Der oft als bedrohlich empfundene nächtliche öffentliche Stadtraum spielt in diesem Zusammenhang eine untergeordnete Rolle. Dennoch müssen Bedrohtheitsgefühle ernst genommen werden, da sie nicht nur die Lebensqualität stark beeinträchtigen können sondern auch die Bewegungsfreiheit der Betroffenen einengen und zu Meidungsverhalten führen. Ein weitgehender Rückzug aus dem öffentlichen Leben kann die Folge sein. Insgesamt ist festzustellen, daß die Personengruppen mit den stärksten Bedrohtheitsgefühlen am geringsten von Kriminalität betroffen sind.


Kriminalität und Tatort:
Manche Formen der Kriminalität treten gehäuft an Orten mit bestimmten Gestaltungs- und Nutzungsmerkmalen auf. Solche Orte werden als "attracting areas" bezeichnet. Dazu zählen beispielsweise Einkaufsgebiete im Zusammenhang mit Ladendiebstahl. In solchen Bereichen erscheinen Präventionsmaßnahmen mittels Planung und Gestaltung besonders zielführend. Wenig ortsgebundene Kriminalität entzieht sich diesem Ansatz hingegen weitgehend wie z.B. manche Delikte im Bereich der Gewaltkriminalität. In diesen Fällen kann nur versucht werden, an den "breeding areas", jenen Orten, wo Kriminelle herangezogen werden, Lebensbedingungen zu schaffen, die einen Ausgleich zu problemhaften Familienverhältnissen bewirken. Dies ist deshalb besonders schwierig, da die sozialen Verhältnisse ein sogenannter "overriding factor" sind, und ihren Wirkungen daher vorrangig Bedeutung zukommt. Dies trifft auch auf den Anteil der Jugendlichen in großen Wohnhausanlagen im Zusammenhang mit Vandalismus zu.

Unterschiedliche Präventionsansätze:
Bei der Entwicklung von gestalt- und planungsorientierten Präventionsansätzen (CPTED = crime prevention through environmental design) können unterschiedliche Herangehensweisen unterschieden werden. Frühe Ansätze wie der Jane Jacobs' - ihr Werk "The Death and Life of Great American Cities" ist 1961 veröffentlicht worden - gehen von teilweise unvereinbaren Idealvorstellungen aus wie z.B. großstädtischer Vielfalt und Anonymität im positiven Sinn, und Kindern, die auf großstädtischen Straßen unter der Obhut funktionierender sozialer Kontrolle sozialisiert werden; weiters von einem unerschütterlichen Glauben an die Fähigkeiten der Slumbewohner, die ihrem Stadtteil zu wirtschaftlichem Aufschwung und blühender Vielfalt verhelfen. Wichtige, auch heute noch geltende Grundsätze sind die von Jacobs geforderte soziale Kontrolle auf einem möglichst dicht gewebten Netz von öffentlichen Straßen. Um dies zu erreichen sollte eine kleinteilige verträgliche Nutzungsmischung mannigfaltiges städtisches Leben fördern. Denn funktionierende soziale Kontrolle kann nur von zu jeder Tages- und Nachtzeit auf den Straßen vorhandenen Menschen getragen werden. Grenzbereiche zu monofunktional genutzten Gebieten und weitgehend ungenutzte Parks sind Gefährdungsbereiche, da sie nicht über genügend soziale Kontrolle verfügen.

Rund zehn Jahre nach Jane Jacobs' Arbeit entstand Oscar Newmans "Defensible Space" Ansatz im Zusammenhang mit einer Untersuchung der Kriminalität in sozialen Wohnhausanlagen in New York. In diesem Ansatz wird eine Unterteilung der Übergangsflächen vom öffentlichen zum privaten Raum in öffentlich, halböffentlich, halbprivat und privat gefordert. Die Bereiche sollen durch symbolische oder gebaute Barrieren unterteilt sein, damit ihre Hierarchie ablesbar wird; um ihre soziale Kontrolle zu gewährleisten, sollen sie bestimmten, möglichst kleinen Benutzergruppen zugeordnet werden, damit diese sie in ihren Verantwortungsbereich einbeziehen. Zugeteilte Bereiche müssen von der Wohnung der Benutzer aus eingesehen werden können. Mit Hilfe der Anwendung der "Defensible Space" Kriterien konnten in "high crime" areas Erfolge erzielt werden. Soziale Kriterien und Fragen der Flächennutzung blieben davon jedoch weitgehend unberührt.

Aktuelle Vorgangsweisen kommen nicht umhin, sich mit einer Vielzahl von Einflußfaktoren auseinandersetzen zu müssen. Ab 1980 lagen bereits mehrere Publikationen vor, die darauf Bedacht nehmen. Erste Maßnahmen, welche auf die Mobilisierung der Bevölkerung abzielen, wurden von Oskar Newman in "Community of Interest" (1980) zusammengefaßt. Umfassende Konzepte zum CPTED betrafen: "target hardening", "target removal", "removing the means of crime", "reducing the pay-off", "formal surveillance", "natural surveillance", "surveillance by employees", "movement control", "activity support", "motivational reinforcement" und "environmental management". Barry Poyner (Design against Crime) wandte diese Konzepte auf ausgewählte städtische Funktionsbereiche an und erarbeitete so funktionsbezogene "patterns for crime prevention". Diese können als Bestandteile eines hauptsächlich opferorientierten Präventionskonzeptes angesehen werden.
Heute sind viele Ansätze zur Kriminalitätsprävention auf die Mobilisierung der Bevölkerung ausgerichtet. Eine wichtige Voraussetzung für die Unterstützung solcher Maßnahmen durch die Behörden ist deren koordiniertes Zusammenarbeiten, das auch ressortübergreifend erfolgen muß. Grundlage solcher Programme ist eine detaillierte Bestandsaufnahme und Problemanalyse, wobei den Erfahrungen der Bevölkerung ein besonders hoher Stellenwert beigemessen wird. Wichtige Ziele sind Information, Kommunikation und bessere Zusammenarbeit der Bevölkerung mit den Behörden. Auch Gestaltungsmaßnahmen und Eigeninitiativen können gefördert werden. Im Optimalfall werden die Programme von der Bevökerung nach Beendigung des intensiven Behördeneinsatzes weitergetragen.

Der Anteil von Gestaltungs- und Planungsmaßnahmen an der Prävention betrifft täterbezogene, opferbezogene und gesellschaftsbezogene Maßnahmen. Die täterbezogenen Maßnahmen betreffen vorrangig die Gestaltung von Wohngebieten und Wohnhausanlagen und ihre Einbettung im Nutzungsgeflecht der Stadt. Der Versuch, günstige Sozialisierungsbedingungen zu schaffen muß in erster Linie den Bedürfnissen der jungen und heranwachsenden Bewohner Rechnung tragen. Besonders in großen Wohnhausanlagen muß die Gestaltung gute soziale Kontrolle ermöglichen und es müssen ausreichend Betätigungsmöglichkeiten für junge Menschen vorhanden sein, die von diesen auch angenommen werden. Denn oft heißt ihre Tatmotivation "Langeweile". Die Bedeutung bestimmter "overriding factors" wie die soziale Mischung und der Anteil der Jugendlichen muß entsprechend berücksichtigt werden. Täterbezogene Maßnahmen richten sich gegen bestimmte Ursachen der Kriminalität. Darin ist ihr Stellenwert zu sehen.

Opferbezogene Maßnahmen dienen zum Schutz der Menschen vor Kriminalität. Sie sind zwar in der Lage, das Ausmaß der Gesamtkriminalität zu reduzieren, jedoch nicht, ihre Ursachen zu beseitigen. Mit Hilfe der Gestaltung können Rahmenbedingungen geschaffen werden, die wirksame soziale Kontrolle zulassen. Dies betrifft die Ausrichtung der Wohnungsgrundrisse ebenso wie die Gestaltung der öffentlichen Freiflächen. Damit wird im günstigsten Fall erreicht, daß möglichst keine Ziele für kriminelle Handlungen vorhanden sind, der Tatertrag so gering wie möglich ist, die einzusetzende Tatenergie so groß wie möglich ist und das Risiko der Tataufklärung ebenfalls so groß wie möglich ist. Bei der Planung geht es darum, monofunktional genutzte Bereiche zu vermeiden und Stadtfunktionen, die als Kriminalitätsgeneratoren gelten, möglichst weit von empfindlichen Nutzungen zu entfernen.

Eine wichtige Aufgabe der Gestaltung ist es, Bedrohtheitsgefühle zu reduzieren, da auch sichere Gebiete bedrohlich wirken können, wenn keine ausreichende Beleuchtung vorhanden ist, verschiedene Einbauten im öffentlichen Raum die Sicht verstellen und als Verstecke dienen können, sich die Gebäudeeingänge an den Rückseiten der Häuser befinden oder an den wichtigen Fußgeherverbindungen keine ausreichende soziale Kontrolle vorhanden ist usw.
Die Wirkung gestaltungs- und planungsbezogener Maßnahmen ist stark von der aktiven Teilnahme der Menschen am öffentlichen Leben und ihrer Anteilnahme am Schicksal anderer abhängig. Gesellschaftsbezogene Präventionsmaßnahmen haben die Aufgabe zu verhindern, daß verängstigte Menschen in passiver Resignation verharren. Dazu ist es notwendig, die Kommunikation der Menschen untereinander zu fördern, über das tatsächliche Ausmaß der Gefährdung (das meist wesentlich geringer ist als die Bedrohtheitsgefühle vermitteln) zu informieren und gemeinsam Verbesserungsvorschläge zu erarbeiten. Die Aktivitäten reichen von der privaten Nachbarschaftshilfe über "neighbourhood watch" Initiativen bis zu behördlich gelenkten Programmen.


Der gesamtheitliche Präventionsansatz:
Wirksame Kriminalitätsprävention muß gleichzeitig und dauerhaft opfer-, täter- und gesellschaftsbezogene Faktoren berücksichtigen. Die Anwendung einzelner Maßnahmen, aus einem Gesamtkonzept herausgelöst, ist wenig erfolgversprechend. Denn Kriminalitätsentstehung ist ein komplexer Vorgang, der sowohl von den Sozialisierungsbedingungen und den Lebensumständen der Täter als auch von der Beschaffenheit der Tatorte und dem Verhalten der Opfer beeinflußt wird. Die Gestaltung und Planung der städtischen "Räume" kann Rahmenbedingungen schaffen, die kriminelle Taten erschweren bzw. schon bei der Sozialisierung kompensierend wirken. Da die tatsächlichen Bedrohungen meist nicht dort auftreten, wo aufgrund räumlicher Merkmale Angst empfunden wird, stellt auch eine Reduktion dieser Gefühle mittels der Gestaltung eine erhebliche Verbesserung der Lebensqualität dar. Bestimmte als "overriding factors" bezeichnete Parameter sind jedenfalls stärker wirksam als Präventionsmaßnahmen durch Gestaltung und Planung; sie müssen daher vorrangig behandelt und wenn möglich beseitigt werden. Erst dann können andere Maßnahmen tatsächlich wirksam werden.

Ein Vorteil gestaltungs- und planungsbezogener Präventionsmaßnahmen ist ihre dauerhafte und zu einem gewissen Grad selbsttätige Wirkung, wenn sie von einer entsprechenden Gesellschaft getragen werden. Der Anteil der Planungsmaßnahmen erfordert langfristiges Vorausschauen, da städtische Nutzungsgeflechte in der Regel sehr dauerhaft sind und nur schwer verändert werden können.

Erstellt aus der Publikationsdatenbank der Technischen Universität Wien.