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Dissertationen (eigene und begutachtete):

H. Mooshammer:
"Landschaften des Begehrens";
Betreuer/in(nen), Begutachter/in(nen): P Mörtenböck, Sigrid Hauser; Institut für künstlerische Gestaltung, 2003.



Kurzfassung deutsch:
Ausgehend von der vorherrschenden Obsession mit dem Bild (dem Verbildlichen und als Bild Fassen) in der zeitgenössischen westlichen Kultur und insbesondere in der Produktion von Architektur untersucht die vorliegende Arbeit die Bedeutung des Sichtbaren und seine Verankerung in der Wissensgeschichte der Moderne um in der Folge alternative Modelle der Wissensproduktion zu generieren. Die Beschäftigung mit der Entwicklung der Psychoanalyse bietet hier ein fruchtbares Terrain, als sie grundsätzlich um die Beziehungen zwischen dem Sichtbaren und seinem (vermeintlichen) Gegenüber, dem Unsichtbaren bemüht ist und sich für eine Vermittlung dieser Beziehungen räumlich-topographischer Metaphern (d.h. bildlicher Vorstellungen und Gleichnissen) bedient. Die Arbeit zeigt, dass in einer solchen Wechselwirkung von Sichtbarem und Unsichtbarem, Bewusstem und Unbewusstem Phantasien und Projektionen und ihre Vermischung von Realem und Fiktivem eine zentrale Rolle spielen: Anhand der Dekonstruktion der Verwicklungen von Freuds 'Der Wahn und die Träume in W. Jensens <Gradiva>’ mit einer Vielzahl an kulturellen Schauplätzen wird die detektivische Natur von Erkenntnismodellen der Moderne erörtert. Die Vorstellung einer Wechselbeziehung zwischen sichtbarer Oberfläche und verborgenen, jedoch im Untergrund fortwirkenden Dynamiken wird am Fall des Wiener Paradeisgartls, seiner Geschichte und Geschichten als Schauplatz des Austauschs von kulturellem Material, Traumata und Phantasien bezüglich ihrer Implikationen für das Verhältnis von Beschreibung zu Bedeutung näher betrachtet.
Ein wesentliches Motiv in dieser Diskussion von Sichtbarkeiten bietet ein zunehmendes Begehren nach dem Unsichtbaren, den Möglichkeiten seines Erlebens außerhalb der bezeichneten, materiell repräsentierten Bahnen. Die Praxis des Cruisings erweist sich hier als ein vielfach anvisiertes Feld: Über das Involvieren von Körper und Sexualität scheint es über das besondere Vermögen zu verfügen, Räume ohne den Zusatz materieller Objekte und Artefakte in gänzlich andere Bedeutung überführen zu können. An Beispielen, die versuchen, diese Qualitäten von Cruising in gebaute Räume zu transformieren, wird die bedeutungsschaffende Lage der subjektiven, körperlichen Verwicklung in der Produktion von Raum deutlich: Cruising lässt sich nicht vom Einsatz subjektiver Phantasien und deren eigenen zeitlichen und räumlichen Dimensionen, ihren körperlichen Vergangenheiten, losgelöst in funktionale Programme übersetzen.
Die Problematik des Übersetzens von Kultur in gebauten Raum führt damit zu der generellen Frage der Rolle von Architektur in den Prozessen der Wissensproduktion und den damit verbundenen Akten des Beschreibens und Repräsentierens. Entlang aktueller Strömungen im Architekturgeschehen, die auf Konzepten der Mimesis, des Kopierens, Nach-Außen-Stellens und morphogenetischen Nachahmens von Leben gründen, untersucht die Arbeit die Limitationen, die sich in diesen Prozessen des Übersetzens ergeben. Konzepten einer kontrollierenden Darstellung von Leben und seinen Dynamiken werden Konzepte einer Architektur gegenübergestellt, die nicht gleich dem Leben zu sein versucht, sondern die grundsätzliche Unüberbrückbarkeit des Anderssein, von Differenz anerkennt. Das Verhältnis zu diesem Anderen eröffnet sich in den Lücken zwischen uns und dem gebauten Raum. Die Arbeit schlägt hier Wege vor, in denen Architektur die Rolle übernimmt, uns in diese Lücken und Zwischenräume zu verführen. Sie argumentiert für ein Abrücken von Gestaltung, die sich aus der Perfektion von eindeutigen Analysen und darauf begründeten Formeln und Programmen herleitet, zugunsten einer Sensibilität für die räumlichen Qualitäten des Skriptlosen und Unfertigen im kulturellen Erleben. Architektur ist damit weniger eine Repräsentation von Leben, als vielmehr ein Effekt der Archive, in denen unser Begehren und unsere Körper verortet sind.

Kurzfassung englisch:
Departing from an ever increasing obsession with images in contemporary architecture, this thesis questions the role of the visible and its position in the history of modernity in order to generate alternative models of knowledge production. The development of psychoanalysis offers a particularily fertile terrain for this endeavour, as spatial metaphors are central to psychoanalysis’ efforts to render phenomenological existence a dynamic dialogue between the visible and the hidden. This discussion of visibilities is critically informed by an increasing desire for the invisible, for potentialities of experience outside established paths and given material representations. A cultural practice of such kind, cruising - through its involvement of body and sexuality - appears to be able to temporarily transfer the meaning of space without necessarily employing material objects. Investigating translations of cruising into functional building programmes this research emphasises the importance of subjective, bodily participation in the production of space. Alongside current tendencies in architectural production based upon concepts of mimesis (the morphogenetic imitation of life), the thesis examines the limitations called upon by such processes of translation. Arguing for a design which builds upon spatial qualities of the unscripted and transitory within cultural experience (as opposed to a perfection derived from unequivocal analyses, formulas and programmes), architecture ceases to be a representation of life and becomes an effect of shifting archives of desires and bodies.

Erstellt aus der Publikationsdatenbank der Technischen Universität Wien.