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Vorträge und Posterpräsentationen (ohne Tagungsband-Eintrag):

A. Kanonier:
"Steuerung der Landschaftsentwicklung im Vorarlberger Rheintal";
Vortrag: ECOLUP-Tagung, Wolfurt (eingeladen); 23.05.2003.



Kurzfassung deutsch:
Steuerung der Landschaftsentwicklung im Vorarlberger Rheintal
Kurzfassung eines Beitrages im Rahmen von

ECOLUP Kommunaler Workshop für das Handlungsfeld: Landschaftsentwicklung / Fliessgewässer – Dornbirn und Wolfurt

23. Mai 2003
Einleitung
Die Veränderungen in der Landschaft bezüglich Erscheinungsbild, Nutzungsformen und -intensität sind offensichtlich, insbesondere was das Vlbg Rheintal betrifft. Beachtlich sind im Zusammenhang mit der Entwicklung der Landschaft aus raumplanerischer Sicht vor allem:
Ø Die Dynamik und das Tempo, mit der in jüngerer Zeit Nutzungsänderungen stattfinden. Die Intensität und Vielfalt an Nutzungen und Eingriffen nehmen stetig zu.
Ø Aufgrund des knappen Dauersiedlungsraumes und der gestiegenen gesellschaftlichen Bedeutung einer intakten Umwelt gewinnen die ehemaligen „Rest- und Negativflächen“ zunehmend an Bedeutung. Freiflächen stellen nicht mehr in erster Linie „Reserveflächen“ für außer-landwirtschaftliche Nutzungen dar.
Ø Die Nutzungs- und Interessenkonflikte in den Außenbereichen nehmen zu.
Vor diesem Hintergrund werden die Anforderungen an das Steuerungsinstrumentarium komplexer. Bei dieser Interessenvielfalt ist insbesondere die Raumplanung als Querschnittsmaterie ein wesentlicher Fachbereich, der Möglichkeiten zur Steuerung anbietet.
Landschaftsprägende Faktoren aus planungsrechtlicher Sicht
Ohne auf einzelne (und äußerst vielfältige) Faktoren einzugehen, lassen sich aus raumplanungsrechtlicher Sicht vereinfacht vor allem zwei Bereiche unterscheiden. Aufgrund der Zuständigkeitsverteilung sind aus raumplanerischer Sicht im Grünland folgende Nutzungen und Aktivitäten relevant:
Ø Siedlungswesen und Bautätigkeiten im Speziellen (Bau- und Raumplanungsrecht)
Ø sonstige raumrelevante Tätigkeiten (Naturschutzrecht, Wasserecht, Forstrecht, …)
Maßnahmen zur Steuerung der Landschaftsentwicklung
Neben den kompetenzrechtlich abgegrenzten Fachmaterien sind mögliche Instrumente und Maßnahmen zu unterscheiden, die zur Erreichung der Ziele eingesetzt werden können. Je nach Regelungsziel ist dabei der Wirkungsgrad der verwendeten Maßnahmen unterschiedlich, insbesondere wenn Akzeptanzkriterien berücksichtigt werden. Grundsätzlich ist bezüglich der Wirkung gegenüber dem Betroffenen zu unterscheiden zwischen:
Ø Zwangsmaßnahmen der Hoheitsverwaltung: Der Normadressat wird zu einem bestimmten Handeln verpflichtet bzw. in seinem Handeln beschränkt.
Ø Anreizmittel: Gewünschte Aktivitäten werden durch Anreize unterstützt.
Ø Bewusstseinsbildende Maßnahmen: Durch Aufklärungs- und Beratungstätigkeit werden Informationsdefizite abgebaut (insb. durch Best-Practice-Beispiele).
Steuerung des Siedlungswesens und Bauführungen
Seit Beginn des Suburbanisierungsprozesses (im großen Stil ab den 50er Jahren) sind siedlungsnahe Grünräume verstärkt einem Siedlungsdruck ausgesetzt, der vielfach zu Umnutzungen und schlussendlich zur Überbauung ehemaliger landwirtschaftlich genutzter Flächen geführt hat. Das hoheitliche Instrumentarium zur Steuerung der Bautätigkeit ist in erster Linie durch das Raumplanungsgesetz vorgegeben und sieht vor allem in Verbindung mit den baurechtlichen Genehmigungsbestimmungen Beschränkungsmöglichkeiten der überörtlichen und der örtlichen Raumplanung vor.
Maßnahmen der überörtlichen Raumplanung
Der kommunale Planungsspielraum wird durch überörtliche Raumordnungsprogramme, die als Verordnungen erlassen werden, eingeschränkt, da die in der Planhierarchie höher stehenden Bestimmungen für den Flächenwidmungsplan verbindliche Vorgaben darstellen.
Als erste hat die Vorarlberger Landesregierung 1977 Landesraumpläne beschlossen, mit denen überörtliche Freiflächen im Rheintal (und Walgau) festgelegt wurden. Erstmals wurde mit der Erlassung der Grünzonenpläne versucht, der expansiven Siedlungsentwicklung Grenzen zu setzen und landwirtschaftlich genutzte Flächen vor weiterem Zugriff zu schützen.
Ausgehend von Zielen
Ø zur Erhaltung eines funktionsfähigen Naturhaushaltes und des Landschaftsbildes,
Ø zur Erhaltung von Naherholungsgebieten sowie
Ø zur Sicherung der Voraussetzungen für eine leistungsfähige Landwirtschaft
wurden Siedlungsgrenzen aus überörtlichem Interesse konkret festgelegt. Es können somit in den Flächenwidmungsplänen die bezeichneten Gebiete nicht aber als Bauflächen ausgewiesen werden. Dieses vergleichsweise einfache planerische Instrumentarium hat sich in den letzten 25 Jahren aber gerade durch seine Deutlichkeit und Durchsetzbarkeit ausgezeichnet.
Maßnahmen der örtlichen Raumplanung
Ausgesprochen konfliktreich ist der Umgang mit Bauten im Grünland auf kommunaler Ebene. Resignierende Bürgermeister werden in diesem Zusammenhang ebenso gerne zitiert wie Gesetzesschwächen und deren Auswirkungen, die zur Folge haben, dass im Grünland „jeder baut nach Lust und Laune“.
Das zentrale Steuerungsinstrument ist der Flächenwidmungsplan, in dem die Gemeinde nach räumlich-funktionalen Kriterien Nutzungsbeschränkungen festlegen kann. Das Vlbg Raumplanungsgesetz sieht als Widmungskategorien neben Bau-, Bauerwartungs-, Verkehrsflächen und Vorbehaltsflächen die Widmung „Freiflächen“ vor, die jeweils in unterschiedliche Nutzungskategorien gegliedert wird. Innerhalb der Freiflächen gilt eine Generalklausel zugunsten der Freihaltegebiete: So sind alle Freiflächen, die nicht als Landwirtschaftsgebiete oder Sondergebiete gewidmet sind, (quasi automatisch) Freihaltegebiete, die von jeder Bebauung freizuhalten sind.
Die Festlegung von Freihaltegebieten, denen eine Bauverbotswirkung zukommt, ermöglicht der Planungsbehörde einen umfassenden Grünlandschutz, während in den Landwirtschaftgebieten die Ausnahmebestimmungen für Grünlandbauten von der Baubehörde anzuwenden sind.
Sonstige Maßnahmen und Vorhaben
Im Baubewilligungsverfahren nach § 23 Vlbg Baugesetz (Vorprüfung) ist unter anderem zu prüfen, ob das Bauvorhaben den Bestimmungen der örtlichen Raumpläne entspricht. Ist dies nicht der Fall, so ist der Antrag auf Vorprüfung abzuweisen. Durch diese Planungs- und baurechtliche Systematik können freilich nur Eingriffe und Veränderungen gesteuert werden, die eine baurechtliche Genehmigung erfordern oder anzeigepflichtig sind. Andere Aktivitäten in Freiflächen sind mittels Flächenwidmungsplan nicht direkt steuerbar.
Ø Landwirtschaftliche Nutzungen
Landwirtschaftliche Nutzungen sind über die Beschränkungsmechanismen der hoheitlichen Raumplanung nicht zu steuern. Werden keine baurechtlich anzeige- oder genehmigungspflichtigen Bauvorhaben durchgeführt, sind die Widmungsvorschriften nicht anzuwenden.
Ø Aufforstungen
Im Flächenwidmungsplan ist keine spezielle Widmungskategorie „Aufforstungsgebiete“ mit entsprechenden Rechtsfolgen vorgesehen. Demnach sind Aufforstungen nicht durch die örtliche Raumplanung steuerbar.
Ø Bestehende Ried- und Freizeithütten
Rechtmäßig errichtete Bauten sind durch Umwidmungen nicht im Bestand gefährdet.
Die Möglichkeiten würden freilich zunehmen, wenn Bauführungen in Freiflächen konsenslos (ohne Baubewilligung, obwohl eine erforderlich ist) oder konsenswidrig (entgegen der Genehmigung) errichtet wurden. Liegt keine rechtmäßige Baubewilligung vor, die von der Baubehörde jederzeit überprüft werden kann (§ 38 BG), so ist nachträglich ein Bauantrag zu stellen. Wird die Baubewilligung in der Folge versagt, so ist der rechtmäßige Zustand innerhalb einer Frist herzustellen (Abbruchauftrag).
Die Thematik der Schwarzbauten hat in andern Ländern beachtliche juristische Wellen geschlagen.
Möglichkeiten im Naturschutzrecht
Weitreichende Möglichkeiten für die Steuerung der Entwicklung der Landschaft sind im Rahmen des Naturschutzes möglich. Der Naturschutz, der seit jeher umfangreiche rechtliche Regelungen für die freie Landschaft vorsieht, hat längst das „Verhindererimage“ und die „Käseglockenstrategie“ abgelegt und regelt nunmehr den Umgang des Menschen mit der Natur und Landschaft (§ 1 Abs. 1 GNL) im umfassenden Sinn.
Ohne auf alle naturschutzrechtlichen Bestimmungen zur Landschaftsentwicklung eingehen zu können, sind von besonderem Interesse – neben den Bestimmungen über Entwicklungskonzepte (§ 7 GNL) – die Regelungen des Gebietsschutzes.
Ø Überörtlicher Naturschutz und Landschaftsentwicklung (§ 26 GNL): Traditionelle Verordnung von Schutzgebieten durch die Landesregierung (z.B. Sicherstellung des Lauteracher Rieds). Je nach öffentlichen Interessen können weitreichende Verbote, Schutz- und Pflegemaßnahmen festgelegt werden, die erhebliche Einschränkungen für Grundeigentümer bewirken können.
Ø Örtlicher Naturschutz und Landschaftsentwicklung (§ 29 GNL): Die Gemeindevertretung kann nunmehr – nach Anhörung der Landesregierung – für Bereiche, denen vor allem örtliche Bedeutung zukommt, durch Verordnung Schutzbestimmungen erlassen. Voraussetzung für die Unterschutzstellung ist, dass der Schutz der Landschaft in diesen Gebieten im öffentlichen Interesse liegt (§ 26 GNL).
Eine zusätzliche Möglichkeit bietet der Vertragsnaturschutz nach § 9 Abs. 2 GNL, wonach die Gemeinden als Träger von Privatrechten Vereinbarungen mit den Grundeigentümern zur Wahrung der Ziele des Naturschutzes und Landschaftsentwicklung abschließen können. Besonders bei notwendigen Pflegemaßnahmen oder gewünschten Nutzungsformen sind solche Vereinbarungen zielführend, da diese individuell konzipiert werden können.
Maßnahmen in räumlichen Entwicklungskonzepten
Vorgaben für Freiflächen können im räumlichen Entwicklungskonzept enthalten sein, die von den Gemeinden vor dem Flächenwidmungsplan (und Bebauungsplan) zu erstellen sind. Gemäß § 11 Abs. 1 lit d Vlbg RplG und § 7 Abs. 1 GNL hat das räumliche Entwicklungskonzept Aussagen über die zu sichernden Freiräume zu enthalten.
Insgesamt wird die Absicht der Gesetzgeber deutlich, der kommunalen Flächenwidmung strategisch langfristige Leitsätze durch das räumliche Entwicklungskonzept voranzustellen, die einen auf die örtlichen Gegebenheiten zugeschnittenen Orientierungsrahmen für die Planungspraxis bilden sollen. Die Entwicklungskonzepte enthalten keineswegs ausschließlich Maßnahmen für den Flächenwidmungsplan. Die Stärke von Entwicklungskonzepten ist die Bündelung von vielfältigen Maßnahmen für die gesamte Gemeindeentwicklung.
Bei einzelnen Maßnahmen sind die jeweilige Wirkung bzw. die Adressaten zu beachten. Im Entwicklungskonzept können grundsätzlich hoheitliche Zwangsmaßnahmen, Förderungsmaßnahmen sowie bewusstseinsbildende Maßnahmen kombiniert werden. Freilich ist die Wirkung örtlicher Entwicklungskonzepte, die in rechtlicher Hinsicht insbesondere in der Selbstbindung der Gemeinde besteht, in hohem Maße von der Konkretheit der festgelegten Ziele und der Bestimmtheit der Maßnahmen abhängig.
Bewußtseinsbildende Maßnahmen
Die öffentlichen Anliegen an einer positiven Landschaftsentwicklung sind möglichst so zu vermitteln, dass sich das Verhalten der einzelnen Akteure aus eigenem Antrieb entsprechend anpasst. Aufklärungstätigkeit und Beratungen mit Best-Practice-Beispielen sind in ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzen, insbesondere wenn leere Gemeindekassen auf der einen Seite und Abneigung gegen hoheitliche Zwangsmaßnahmen auf der anderen Seite berücksichtigt werden.
Allerdings haben bewußtseinsbildende Maßnahmen auch ihre Grenzen. So ist vor allem im Freiflächenschutz zwischen einer allgemeinen Einstellung und den individuellen Aktivitäten einzelner Personen zu unterschieden. Künftig wird die Bedeutung einer intakten Landschaft so zu vermitteln sein, dass auch den Betroffenen und Akteuren klar wird, dass durch ihr individuelles Zuwiderhandeln nachteilige Entwicklungen induziert werden.
Resümee
Das Vlbg Verwaltungsrecht enthält einige positive Ansätze für die Steuerung der Landschaftsentwicklung im Dornbirner und Wolfurter Ried. Insbesondere im österreichischen Vergleich bietet das Raumordnungsrecht (Rheintalgrünzone, Freihaltegebiete als Generalklausel) und das Naturschutzrecht (Vertragsnaturschutz, örtlicher Naturschutz) weitreichende Instrumente und Maßnahmen, sowohl die Siedlungs- und Bautätigkeit als auch andere Eingriffe zu steuern. Für die Entwicklung des Landschaftsbildes wird die richtige Kombination von Maßnahmen wichtig sein, da allein ein Maßnahmentyp einer Materie in der Regel nicht ausreichen wird.

Erstellt aus der Publikationsdatenbank der Technischen Universität Wien.