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Talks and Poster Presentations (without Proceedings-Entry):

G. Esser:
"Bauforschung am Postgebäude von Angiolo Mazzoni in Littoria / Latina";
Talk: Veranstaltung der Koldewey-Gesellschaft, Breslau (invited); 2006-05-24 - 2006-05-28.



English abstract:
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German abstract:
. Wenn eine Universität ins Ausland geht, um dort eine Lehrveranstaltung abzuhalten, braucht es dafür immer auch einen äußeren Anlass, der das Programm zusätzlich interessant macht und dem Unternehmen eine größere inhaltliche Tiefe verleit.
. Im vorliegenden Fall war es mit Prof. Claudio Greco die Università Tor Vergata in Rom, die der TU Wien im Jahr 2003 eine Kooperation anbot und das Thema gleich mitbrachte: Das Postgebäude in Latina des Architekten Angiolo Mazzoni sowie eine aktuelle Diskussion um die Nutzung und Restaurierung des Gebäudes vor dem Hintergrund der Fragen nach der Bedeutung des Bauwerks für die Geschichte der Stadt und der Gesellschaft, Fragen, die in Latina "Littoria", der ersten faschistischen Neugründung in der pontinischen Ebene mit seiner heute wieder rechts-konservativen Stadtregierung bezogen auf ein zentrales öffentliches Gebäude der "ersten Stunde" eine besondere Brisanz versprachen.
. Schnell wurde klar, dass die von Lokal-Politikern lautstark vorgetragene Forderung einer originalgetreuen Rekonstruktion des mehrfach stark veränderten Baus getreu dem Ruf "Come era, dove era" mangels vorliegender Bauuntersuchungen nicht wirklich mit heutigen Maßstäben der Denkmalpflege in Einklang zu bringen war. Und so schien es angebracht, diese Lücke durch ein vertiefendes Studium von Bauwerk und Quellen im Sinne einer notwendigen Grundlagenarbeit zu schließen, um danach - auf der Basis gesicherter Gebäudekenntnisse - konkrete Nutzungs- und Umbauvorschläge zu entwickeln mit dem Anspruch, Lehre und Wirklichkeit miteinander zu verknüpfen , etwas im "realen Leben" zu bewirken.

FOLIE Zu Beginn einige Aspekte der Zeitgeschichte welche im Zusammenhang mit meinem Thema von Bedeutung sind:
. Der politische Moment: Die Bauzeit der Post von Littoria zwischen 1932 und 1934 fällt mitten in das "Ventennio" des italienischen Faschismus. Seit dem Marsch Mussolinis auf Rom von 1922 sind 10 Jahre vergangen, das Regime hat sich auf allen gesellschaftlichen Ebenen etabliert und sitzt fest im politischen Sattel. Große städtebauliche- und Architektur-Wettbewerbe wie jene für das Foro Mussolini / Foro Italico (1927-1932) oder für den Palazzo del Littorio (1.Phase 1933/34) an der quer durch das antike römische Forum geschlagenen Via del Impero sind bereits gelaufen oder stehen bevor. Das ambitionierte Projekt der Trockenlegung der südlich von Rom gelegenen pontinischen Sümpfe mit seinen Neustadtgründungen soll einer tief greifenden Umformung eines Teils der italienischen Gesellschaft hin zu einer nach faschistischen Maßstäben agrarisch organisierten Landbevölkerung Vorschub leisten. In diesem Prozess, zu dem meine Vorrednerin uns gerade einen umfassenden Überblick gegeben hat, spielt Littoria, als erste Neustadtgründung eine Vorreiterrolle.
. FOLIE Der kunst- und architekturgeschichtliche Moment: Anders als in Nazi-Deutschland erfolgt die Einfluchtung der architektonischen Produktion auf die Vorgaben der Machthaber in Italien sehr viel langsamer. Anfang der 30er-Jahre noch herrscht hier der so genannte Pluralismus der Stile, in dem die Scuola Romana, der Klassizismus des Novecento, Razionalismus und Moderne sowie mit Sant`Elia, Boccioni und Marinetti der italienische Futurismus um die Gunst des Duce buhlen. Mazzonis Postgebäude in Littoria spielt für die weitere Entwicklung des Futurismus eine herausragende Rolle, als doch Marinetti dieses kurz nach seiner Eröffnung Ende 1932 in dem berühmt gewordenen Artikel "Ritmo eroico" zu einem wahrhaft futuristischen Bauwerk erklärt und so die Eingliederung Mazzonis - als damals einzigen bauenden Architekten - in die futuristische Bewegung vorbereitet (1933). Mazzonis Postgebäude in Littoria und Sabaudia werden in der Folge zu Vorzeigebauwerken der Bewegung, Mazzoni selbst innerhalb dieser zu einem Mann der vordersten Linie.
. FOLIE Das architektonische Werk: vielen unter Ihnen müsste ich den Architekten Mazzoni wohl nicht vorstellen, und doch will ich seine Schaffenszeit der Vollständigkeit halber kurz beleuchten. Geboren 1894 tritt Mazzoni nach vollendetem Architektur- und Ingenieursstudium 27-jährig in die Bauabteilung der des italienischen Eisenbahn- und Post-Ministeriums ein, innerhalb dessen er bis zu seinem Ausschluss aus dem Staatsdienst 1945 - erlitten wegen eben jener Tätigkeit in einer Organisation des faschistischen Staates - eine steile Karriere absolviert. Er selbst zeichnet verantwortlich für nicht weniger als 22 realisierte Postgebäude, 10 verwirklichte Bahnhofsprojekte - der bekannteste unter ihnen Roma Termini- und mindestens 11 weitere Bauten aus dem Bereich des "Ministero delle Communicazioni" in ganz Italien. Die Durchsicht der Bauten macht schnell einen anfangs virtuos vorgeführten Eklektizismus in der Entwurfshaltung deutlich, für den Mazzoni zu allen Zeiten scharf kritisiert worden ist. Ab 1933 jedoch zeigen seine Gebäude eine immer durchgängigere, moderne Sprache, die sein gesteigertes Durchsetzungsvermögen gegenüber Auftraggebern, kommunalen Baukommissionen und anderen einflussreichen Kreisen belegt.

FOLIE Die Baugeschichte des Postamtes in Littoria

(1932 Der Ursprungsbau)
. Nach Mussolinis Entscheidung vom April 1932, eine bestehende Siedlung zur ersten Agrargemeinde des Agro Pontino mit Namen Littoria auszubauen, vergehen nur ca. 6 Monate bis zur Eröffnung von Stadt und Postamt zum 10.Jahrestag im Oktober. Mazzonis Aufgabe besteht in Littoria erstmals darin, ein Gebäude für eine noch nicht existente Stadtstruktur zu entwerfen, die in ihrer Gesamtheit in Planung und Ausführung einem bis dato völlig unbekannten Architekten, Oriolo Frezzotti, übergeben wird. Der dem Postamt zugewiesene Bauplatz liegt innerhalb der neuen Stadtstruktur geradezu versteckt im Rücken der rechteckigen Piazza del Littorio, fast ohne jede Beziehung zu den anderen öffentlichen Gebäude der Stadt, jedoch in einem eigenen Platz-ähnlichen Bereich.
. (PP ergänzen) FOLIE Nach einem ersten, im Mazzoni-Archiv des MART erhaltenen Vorentwurf, der volumetrisch äußerst reduziert seine Vorbilder in ländlichen Typologien zu suchen scheint - der Bau erscheint wie ein 2-geschossiges Bauernhaus mit flach geneigtem Dach und inszenierter Freitreppe zum Obergeschoss - gerät der zweite, FOLIE realisierte Entwurf deutlich expressiver. In ihm beginnen sich eine ganze Reihe von Elementen, an erster Stelle der hohe Uhrenturm und der runde Treppenturm, aus dem streng begrenzten Volumen der ersten Fassung herauszuschälen und durch Proportion, Ausrichtung und Materialität zueinander in Beziehung zu treten. Während die für Mazzoni typische, handwerkliche Verwendung des Backsteins für alle Außenwandflächen die Anlehnung der Architektur an die neue ländliche Siedlung sucht und die aus Travertin bestehenden Türportale, Fensterrahmungen, Sockel und Treppenanlagen den Bau nobilitieren, stehen im Gegensatz dazu die aus einer neuartigen technischen Metall-Legierung ("Anticorodal") gefertigten, ausbauchenden und die Fensterachsen fassadenhoch zusammenfassenden Schutzgitter zur Mückenabwehr, die dem Gebäude einen geradezu industriellen Ausdruck verleihen und es zugleich um seinen menschlichen Maßstab bringen. Und eben diese Anleihen an eine Maschinenästhetik sowie die bewusste Kombination heterogener Materialien, die sich im Inneren des Baues in gesteigerter Form fortsetzt, sind wohl ausschlaggebend für die euphorische Stellungnahme Marinettis, welcher in dem Bau den "heroischen Rhythmus futuristischer Architektur" erkennen wollte.

(1934 Erweiterungsbau)
. Doch soll das hochgelobte, in in- und ausländischen Zeitschriften publizierte Bauwerk in seiner Ursprungsform nicht von langer Dauer sein. Schon ein Jahr später, 1933, beschließt die Staatsführung, Littoria zur Hauptstadt einer neu geschaffenen Provinz zu machen, mit der Folge radikal veränderter administrativer Anforderungen an das nunmehr viel zu kleine urbane Zentrum. Frezzottis daraufhin einsetzende Stadt-Umplanungen sehen eine Aufwertung der bisherigen orthogonal zum Hauptplatz stehenden sekundären Straßenachsen vor, in deren Folge sich Mazzonis Postgebäude stärker als zuvor im Fokus städtebaulicher Sichtweisen wiederfindet. FOLIE Mazzoni erhält den Auftrag für die Erweiterung des Postamtes im Frühjahr 1934 und ein erhaltener Briefwechsel sowie eine ganze Reihe von Planungsvarianten zeugen von den harten Auseinandersetzungen des Architekten mit den neuen Vorgaben von Stadtplanung und Baukommission. So wird denn ein erster vom Ministerium bestätigter Entwurf, welcher einen zum ersten parallel gestellten zweiten Baukörper vorsieht und ersteren nur durch eine leichte Brücke erschließt, im Mai 34 zurückgewiesen, mit der expliziten Aufforderung, den Anbau in der Achse des Viale Principessa di Piemonte zu positionieren. 4 weitere in der Folge erarbeitete Grundriss-Varianten mit orthogonal zum Altbau gedrehtem Zubau belegen die Suche Mazzonis nach einem möglichst sensiblen Anschluß der beiden Baukörper, in 2 Varianten realisiert durch eine kleine zwischengeschaltete Piazzetta. In den Briefen aus jener Zeit spiegelt sich auch die offensichtlich erbittert geführte Diskussion um die so emblematischen Mückengitter, die - vom Architekten in jedweder Form gewollt und mit cleveren Argumenten gestützt - von den öffentlichen Stellen schließlich unter Verweis auf den - angeblich - errungenen Sieg über die Malariafliege verhindert werden. FOLIE Eine Folge von 4 Axonometrien spiegelt den Stand der Diskussion im Juli 1934 wieder, als nunmehr klar ist, dass Zubau und Altbau direkt angeschlossen werden und die den Gesamtbau vereinheitlichend umschließenden "Zanzariere" nur noch wie in einem letzten Aufflackern dieser zunächst so erfolgreichen Idee in einer letzten Variante präsentiert werden. FOLIE Und doch weisst das ausgeführte Bauwerk zu dieser letzten Variante die meisten Parallelen auf: denkt man sich die Mückengitter weg, entsprechen sich Entwurfshypothese und Erweiterungsbau in fast allen Einzelheiten. Weder das Zusammenspiel von Alt und Neu FOLIE noch die unter äußerem Druck herbeigeführte städtebauliche Lösung wirken jedoch überzeugend: Der neue Baukörper ragt wie ein Kirchenschiff viel zu lang und gleichförmig in den Stadtraum, ohne Eingang und Hauptfassade im Westen wendet er sich keineswegs dem Viale zu, sondern stößt, einem Schwert gleich, in diesen hinein.
. FOLIE Die Innenräume dagegen können - ganz der gestalterischen Freiheit des Architekten anheimgestellt - in Form und Materialität im Stil der ersten Bauphase gestaltet werden. Sie zeigen eine ungewöhnliche, für Mazzonis Interieurs typische Mischung aus traditionell wirkenden, verklinkerten Wandflächen, in die scheinbar zwanglos Rundbogenöffnungen neben geraden, schlitzartigen Fensterausschnitten stehen. Ergänzt werden sie um Tischplatten aus schwarzem Granit, verzinkten Lampeneinfassungen und Handläufen auf dunklen Holztüren.
(1942/43) Adaptierungen bei Kriegsende
. FOLIE Abgesehen von baulich geringfügigen, inhaltlich jedoch bedeutsamen Veränderungen des Bauwerks gegen Kriegsende - für das Jahr 1942 entnimmt man den Archivmaterialien die Planung für einen 33 mal wiederholten Schriftzug "Vincere" (Siegen!), welcher auf dem Treppenrundturm der Nordfassade appliziert wird, 1943 dann aber erfolgt die Demontage der "Fasci littori", Insignien der Macht einer nunmehr gestürzten politischen Klasse - und größere bauliche Umgestaltungen stellen sich erst wieder mit den Ereignissen der 60er Jahre ein.
(1964 Erweiterung und Zerstörung)
. FOLIE In das Jahr 1964 datiert schließlich die letzte umfassende Umgestaltung des Postgebäudes in Littoria, nunmehr Latina. Der Druck einer rasch wachsenden Mittelstadt zwingt abermals - wie schon 30 Jahre zuvor - zu einer Volumenverdopplung des Bauwerks. Der Umstrukturierung der inneren Abläufe des Postamtes fallen dabei nicht nur sämtliche Interieurs der 30er Jahre zum Opfer. Das von Mazzoni selbst noch beim Bau der Phase 2 vehement verteidigte Ursprungs-Bauwerk wird jetzt - in vollständiger Ignoranz seiner Geschichte - nahezu gänzlich ausradiert und durch einen funktionalen Zweckbau im Stile einer unambitionierten Nachkriegsarchitektur ersetzt. Der Bau eines Tiefgeschosses macht dabei auch im Erdreich "tabula rasa", eine Zufahrt zu demselben verändert zusätzlich die bis dahin ohnehin nicht sonderlich spannende Südfassade des Erweiterungsbaus. Von dem futuristischen Vorzeigebauwerk des Jahres 1932 bleibt nicht mehr bestehen, als die stark plastisch ausgeformte und nun als Schaufront inszenierte Nordfassade, die für den überdimensionierten Neubau an städtebaulich ungelöster Stelle bis heute als Haupteingangsfront fungiert.

(2004 Bauaufnahme und Bauforschung)
. FOLIE Soweit zur Baugeschichte des Postgebäudes in Latina, so weit sie sich aus den Quellen erschließen lässt. Der eingangs erwähnte Workshop mit Studierenden der TU Wien setzte an dieser Stelle an und versuchte die Befunde am Bau mit der Quellenlage abzugleichen. Zurückgreifen konnten wir damals auf einen Großteil des eben gezeigten Materials, eine italienischen Diplomarbeit zur Baugeschichte des Postgebäudes, und die im gleichen Zeitraum in Latina gezeigte Ausstellung "ANGIOLO MAZZONI DEL GRANDE e l`edificio postale di Littoria - Latina" (24.Okt.-23.Nov.2003). Vor dem Hintergrund des reichhaltig vorhandenen Grundlagenmaterials, der relativ kleinen Studentengruppe und begrenzten Zugangsmöglichkeiten zu den nach wie vor intensiv genutzten Innenräumen, bot sich eine komplette Neuaufnahme des Gebäudes nicht an. Vielmehr wurden ein Erdgeschoss-Grundriss der erhaltenen Mazzoni-Bauteile und ein Vertikalschnitt der Bauphase 2 angefertigt, FOLIE weiters fanden Befundanalysen und Schadenskartierungen unter anderem auf der Basis photogrammetrisch erstellter Fassadenansichten von ausgewählten Bereichen statt.

Einige Ergebnissen der Bauuntersuchung:
. FOLIE Erstens: Die Untersuchung des Ziegel-Mauerweks hat die Nutzung zwei unterschiedlicher Ziegelformate ergeben: während der konstruktive Kern aus Ziegeln der Höhe 5cm besteht, zeigen sich bei den dünneren Ziegeln der Mauersschalen trotz des zeitlich kurzen Abstands der beiden ersten Hauptbauphasen zueinander mit 27 bzw. 27,5/28cm leicht abweichende Ziegellängen. Dieser Befund erlaubt die grundsätzliche Unterscheidbarkeit der beiden Bauphasen und die genaue Definition ihrer Anschlusspunkte, hier nachgewiesen an einem der beiden letzten Pfeiler der Westfassade des ersten Baus. FOLIE .....

. Zweitens: FOLIE Aus dem zitierten Briefwechsel des Jahres 1934 ist bekannt, dass Mazzoni schließlich auch am Ursprungsgebäude den Rückbau der Mückenschutzgitter vornehmen muss (im Bild links unten die Montage derselben). Photos aus der Bauzeit bzw. vor diesem Datum entstandene Bilder zeigen, dass sich in den großen Leibungen zwischen den Strebepfeilern - eventuell aus Kostenspargründen und um die Reflektion des Lichtes zu verstärken - kein Sichtmauerwerk, sondern weiße Putzflächen befanden. Diese waren - wie in einer motivischen Aufnahme großer Steinquader - mit dem Sicht-Mauerwerk verzahnt. FOLIE Die Kombination einer Bauzeichnung der betreffenden Stelle mit einer Entzerrung des Wandabschnitts ermöglicht es, die unterschiedliche Herkunft der Ziegel im Grenzbereich nachzuweisen. Da ja die Putzflächen nach Abnahme der Mückengitter im Jahr 34 nachträglich mit Sicht-Mauerwerk verkleidet werden mussten, wurden dazu eben jene längeren Ziegel der Bauphase 2 benutzt.

. Drittens: FOLIE Aus dem Abgleich der Gebäude- und Baudetailmaße geht hervor, dass sämtliche Wandraster und Öffnungen einem maßlichen Grundmodul unterliegen und alle Portaltypen und Fenster baugleich ausgeführt wurden. Grund dafür wird sicher die vom Architekten gewollte Einheitlichkeit der Erscheinung zwischen der 1. und 2. Bauphase gewesen sein. Aus dieser Erkenntnis lässt sich die prinzipielle Wiederverwendbarkeit der aufwändigeren Bauteile folgern. FOLIE Für den konkreten Fall des 1934 von Mazzoni entfernten Westportals (hier gelb kartiert), dessen Fahnenmastkonstruktion im Dachgesims eine heute noch sichtbare Aussparung erforderte (im Bild oben rechts sichtbar), FOLIE kann daher ein neuerlicher Einbau als Nord- oder Südportal vermutet werden.

. Viertens: FOLIE Nach Kenntnis der Quellenlage und Beobachtungen am Bau lassen sich die Befunde am Nordportal des ersten Postamtes leicht erklären: Die Einführung der 3-Geschossigkeit in diesem Teil des Bauwerks im Jahre 1964 hatte die Demontage der alten Fenstergewände aus Travertin (ergänzte Wandflächen sind Grün kartiert) und den Einbau eines Beton-Sturzes in der Fassadenebene (blau) zur Folge. Das alte Dachgesims konnte jedoch als das ursprüngliche Stahlbetonbauteil erhalten bleiben, obwohl es von den neuen Fenstern des 2. Obergeschosses hinterschnitten wird. FOLIE Die Rekonstruktion macht den Urzustand mit den beiden Fenstern im Obergeschoss wieder sichtbar.

. Fünftens: FOLIE Anlass für den Umbau des Südportals zu Fenstern war im Jahre 1964 der Bau einer Kellerzufahrt (rechts im Bild die Situation seit 1934, links die Analyse). In Blau kartiert sind die in Beton und Stuck ergänzten Bauelemente. Wegen der für die Standard-Fenster des Obergeschosses vorgegebenen Höhen mussten die zuvor über dem Portal montierten und eigentlich von ihrer Geometrie gar nicht passenden Fensterbänke um ca. 30 cm nach unten versetzt werden (in schwarz gestrichelt ihre alte Lage). Die nach Abriss des Portals frei liegenden Wandflächen wurden mit wieder verwendetem Ziegelmaterial aus dem Abriss von Bauphase 1 ergänzt (Grün kartiert). FOLIE Wie unregelmäßige Anschlüsse des Kreuzverbandes in Höhe der ehemaligen Portaloberkante zeigen, waren auch die Pfeilervorderseiten vom Austausch der Ziegelschale betroffen. FOLIE Detailaufnahmen der Ziegelflächen der hinteren Wandflächen zeigen einmal mehr die Schwierigkeiten, die die Ausführenden beim Anschluss des zu ergänzenden Kreuzverbandes an den bestehenden hatten. FOLIE Im rechten Bild noch einmal die komplexe Situation an der Kontaktstelle zwischen erster Bauphase (blaue Ziegel), zweiter Bauphase (rote Ziegel) und den Veränderungen der 60er Jahre, bei denen Abrissziegel der Phase 1 wiederbenutzt wurden (grün kartiert).

. Ich möchte hier nicht weiter auf die andere Einzelergebnisse der Bauaufnahme eingehen, vielmehr möchte ich die Hauptbauphasen kurz zusammenfassen.

(Zusammenfassung)
. FOLIE 1. Bauphase 1932_Von der Bausubstanz des Ursprungsbaus hat sich lediglich die zusammenhängende Abfolge der Nordfassade mit dem Uhrenturm, dem Hauptportal und dem runden Treppenturm erhalten, außerdem 2 weitere Pfeiler der Westfassade und Teile des Dachüberstands. Die ursprüngliche Wirkung der Fassade aber wurde schon 1934 durch die Entfernung der "Zanzariere" stark verändert, Bauphase 1 ist heute reduziert auf eine Schauarchitektur im städtischen Raum
. FOLIE 2. Bauphase 1934_Die Bausubstanz des Erweiterungsbaus ist in seinen statisch-konstruktiven Teilen vollständig erhalten, einige Fassadenabschnitte sind allerdings verändert durch den Umbau der beiden Nordportale. Die Architektur dieser Phase überlebt in der durch Mazzoni nur unter äußerem Druck verwirklichten Form. Die Innenräume wurden in beiden Geschossen vollständig verändert, dadurch sind uns keine Ausstattungsdetails erhalten geblieben.
. FOLIE 3. Bauphase 1964_Der funktionale Gewerbebau der Phase 3 realisiert eine Verdoppelung des Gebäudevolumens. Fast ohne jeden Anspruch an Gestaltung und ohne Rücksicht- oder Bezugnahme auf die Vorgängerarchitektur und auf städtebauliche Erfordernisse wird er in der Diskussion in Latina als öffentliches Ärgernis betrachtet.

Abschließend möchte ich - ohne nähere Erläuterung - stellvertretend 2 der entstandenen Architekturprojekte von Studierenden der TU Wien zeigen, die - sensibilisiert durch die bauhistorische Auseinandersetzung mit dem Mazzoni-Gebäude - zu unterschiedlichen, in allen Fällen aber sehr inspirierten Entwürfen gefunden haben.

(Studentenprojekte)
. Jan Holubowsky: "MAZZONI 3", Neubau auf dem Grundriss und im konstruktiven Raster des ersten Mazzoni-Baus, Rückführung auf originales Volumen und Gestalt unter Verwendung eines neuen Gebäudeentwurfs, Nutzung des Neubaus als "Universitäts-Institut für Faschismus-Forschung in der Architektur"

. Matthäus Barthofer: "BUILDING IN PROGRESS", Konzept des allmählichen Wachsens von Architektur wird in die Zukunft projiziert, der Umbau wird als ein Prozess der Demontage und stetigen Aneignung der Flächen durch neue Nutzer angelegt, Entkernung der Schnittstelle mit Gestaltung eines großen Vortragssaales, Verkleidung des alten Gerüsts nach einem flexiblem Fassadenschema mit vielen Durchblicken.

2006 (Aktuelle Planung?)
. Und wie geht es weiter mit der Angelegenheit des Postgebäudes in Latina? Den letzten Nachrichten nach zu schließen, ist die Diskussion um eine Umnutzung und einen Umbau des Bauwerks mit dem Regierungswechsel im April etwas ins Stocken geraten, mit ungewissem Ausgang... Die TU Wien und die Università Tor Vergata jedenfalls planen, die Ergebnisse ihres Workshops mit Fachbeiträgen der Lehrenden und den Studierenden-Projekten im kommenden Jahr in einer Publikation herauszugeben, um auf diese Weise jedenfalls im Rahmen des Möglichen einen kleinen Beitrag zu dieser Diskussion zu liefern.


Electronic version of the publication:
http://publik.tuwien.ac.at/files/pub-ar_6535.doc


Created from the Publication Database of the Vienna University of Technology.