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Wissenschaftliche Berichte:

D. Hausberger, M. Klenovec, K. Stieldorf:
"Integration von barrierefreiem Bauen und Kriterien der Nachhaltigkeit in Niederösterreich, Studie im Auftrag der NÖ Wohnbauförderung";
Bericht für NÖ Landesregierung, Abteilung F2-A,B Wohnbauförderung/Wohnbauforschung; Berichts-Nr. ZVR: 676535324, 2009; 247 S.



Kurzfassung deutsch:
Integration von barrierefreiem Bauen und Kriterien
der Nachhaltigkeit in Niederösterreich
Studie im Auftrag der NÖ Wohnbauförderung durchgeführt von design for all (Pressetext)
Ziel des Projektes ist die Erarbeitung eines neuen best-practice Modells für die Wohnbauförderung Niederösterreichs mit ökologischen und barrierefreien Planungskriterien aus Sicht einer nachhaltigen Strategie mit hohem Kundennutzen, mehr Komfort und Sicherheit sowie volkswirtschaftlicher Relevanz. Als Grundlage dafür wurden die Bauordnungen und Förderungsbestimmungen von Österreich sowie von einigen relevanten europäischen Ländern wie Deutschland, Schweiz, Skandinavien etc. näher untersucht, wo einige interessante Ansätze gefunden werden konnten, die in der Studie näher beschrieben sind.
Ökologie und Energie
Auch wenn energetische und ökologische Aspekte des Bauens in der öffentlichen Wahrnehmung bereits durchaus präsent sind, werden die für deren Umsetzung notwendigen Erfordernisse noch nicht ausreichend präzise beschrieben. Auf Basis einer kritischen Analyse nationaler und internationaler Normen, Richtlinien und Regelwerken wird ein "best practice"-Wohnbauförderungsmodell mit ergänzenden Hinweisen zur Änderung der Wohnbauförderung in NÖ erarbeitet. Auf dem bestehenden Konzept der Punktevergabe wird aufgebaut (100/150 Punktehaus) und dieses durch die zusätzlichen ökologischen Parameter auf ein 300 Punktemodell ausgeweitet und an drei Praxisbeispielen erläutert.
Der Fokus liegt dabei auf Städtebau, Planungssicherheit, Energie, Wohnwert, Barrierefreiheit und erneuerbaren Energieträgern. Spezifische Neuerungen sind dabei die Förderung der Nachverdichtung in Zentren inklusive der Anbindung an den öffentlichen Verkehr, der Sanierung im Denkmal- und Ensembleschutz, die Förderung der Einbindung von Experten in den Planungsprozess, ein niedrigerer Heizwärmebedarf und Barrierefreiheit als Förderungsvoraussetzungen, die Förderung erneuerbarer Energieträger, die Förderung von Besonnung, Belichtung, Belüftung / erhöhtem Schallschutz und weiteren Anforderungen an die Barrierefreiheit als Kriterien, die zu einem erhöhten Wohnwert von Gebäuden und damit zu ihrer Langlebigkeit beitragen.
Wünschenswert sind klare Beurteilungskriterien, um die Zuweisung von Punkten transparent zu gestalten. Ein anwendbares Werkzeug zur Quantifizierung der ökologischen Bewertungskriterien fehlt auch in Niederösterreich und könnte von den Autorinnen erarbeitet werden. Damit könnte eine wichtige Hilfestellung für die Umsetzung in der Praxis (Förderwerber, Förderstellen) angeboten werden.
Ein innovativer und präventiver Ansatz
Für die Integration von 'barrierefrei´-Kriterien in Richtung anpassbares Wohnen, flexibel in allen Lebensphasen, ist ein neuer innovativer und präventiver Ansatz gefragt. Denn Barrierefreiheit ist erst im Anlassfall spürbar - mit dem Gipsbein oder nach einer Meniskusoperation, mit Kleinkindern und Kinderwagen, im Alter sowie bei kurzzeitiger oder längerfristiger Mobilitätsbeeinträchtigung und Behinderung - einfach alle Unwägbarkeiten im Laufe eines Lebens, die jeden von uns irgendwann einmal betrifft: wenn nicht heute dann vielleicht morgen bzw. durch einen Angehörigen oder Freunde. Der Komfortgewinn und die erhöhte Lebensqualität für alle Wohnungsnutzer wird im Anlassfall sehr rasch deutlich bewusst.
Ein weiteres Argument für barrierefreie Umgebungen ist der Sturzunfall mit einem Anteil von über 83 % bei den Senioren über 60 Jahre, die im Spital landen mit allen damit verbundenen Folgekosten und persönlicher Beeinträchtigung. Meistens passiert der Sturzunfall im eigenen Wohnumfeld bzw. beim Einkaufen. Mit barrierefrei gebauten Wohnungen und Nahversorgungseinrichtungen können diese hohen Gesundheitskosten um ca. 15 % reduziert werden, wie langjährige Projekte aus Vorarlberg beweisen.
Komfortgewinn und Sicherheit - mehr Lebensqualität und Flexibilität
Der demographische Wandel fordert hier ein Umdenken der bisherigen politischen Strategien. 9 von 10 der 50+ Personengruppe wollen auch im Alter lieber daheim bleiben. Die drei Mindestgrundsätze des barrierefreien anpassbaren Wohnens - der schwellenlose Hauseingang, lichte Türbreiten von mind. 80 cm und genügend Platz in Küche und Sanitärräumen - sind wichtige Vorraussetzungen dafür. Oder anders gesagt: alle Lebensfunktionen wie Wohnen, Kochen, WC, Baden und Schlafen sollten auf einer schwellenfrei erreichbaren Ebene möglich sein, wobei Sanitärräume auch später angepasst werden können; z.B. durch das einfache Entfernen einer Trennwand, wenn keine Sanitärgeräte darauf montiert oder Leitungen vorhanden sind, kann leicht ein barrierefreies Bad mit genügend Platz fürs Bewegen (150 cm Durchmesser) bei WC, Waschbecken und bodengleicher Dusche geschaffen werden.
Eine Punktezuteilung wie sie bisher im Wohnbauförderungsmodell enthalten war, ist für die Mindestkriterien des barrierefreien anpassbaren Wohnens nicht sinnvoll, denn damit würde diese grundvernünftige Anforderung bei Einfamilienhäusern und Mehrfamilienwohnbauten und deren spätere Adaptierbarkeit nicht erreicht werden. Das Beispiel aus Oberösterreich zeigt, dass Förderungswerber den Zuschuss für barrierefreies Bauen kaum in Anspruch nehmen. Dagegen ist in Vorarlberg bei Inanspruchnahme der höheren Wohnbauförderung nach ÖKO 2 für ökologische und energetische Maßnahmen die barrierefreie Gestaltung Förderungsvoraussetzung. Nicht nur in ökologischen und energiepolitischen Belangen ist das westlichste Bundesland hier einige Schritte voraus. In einzelnen skandinavischen Ländern wird das Wohnen mit all seinen notwendigen Funktionen auf der ersten barrierefreien Ebene auch im Einfamilienhaus schon in der Bauordnung verlangt, wobei die Adaptierbarkeit und spätere Abtrennung eines Zimmers zum Schlafen auch möglich ist.
Daher sind für die Autorinnen die Mindestkriterien für barrierefreies anpassbares Wohnen eine Einstiegs-vorraussetzung für die Inanspruchnahme der Wohnbauförderung - noch dazu wo nur mit geringen Kosten bei frühezeitiger Einbeziehung in die Planung zu rechnen ist. Doch wie viel Mehrwert für die Immobilie und Komfortgewinn für die dort wohnenden Familien ist damit verbunden! Punkte gibt es nur für zusätzliche 'barrierefrei´-Kriterien wie Raum für einen späteren Aufzugseinbau, anpassbares Bad auch im Obergeschoss, Aufzug in Mehrfamilienwohnhäusern ab dem 1. Obergeschoss.
Volkswirtschaftlicher Nutzen + Kundennutzen
Die Folgekosten durch fehlende nachhaltige Kriterien bei der Energieeinsparung sind unmittelbar bei den Heizkosten spürbar doch bei einer fehlenden barrierefreien Gestaltung von Einfamilienhäusern werden diese oft erst in den späteren Lebensjahren der NutzerInnen relevant durch hohe Pflege- und Gesundheitskosten. Wenn ein Heimplatz erforderlich wird, weil man mangels Barrierefreiheit und Adaptierbarkeit die eigene Wohnung / Ein-familienhaus nicht mehr selbstständig benutzen kann, dann sinkt die Lebensqualität jedes Einzelnen drastisch. Ein Pflegeheimplatz ist immer teurer ist als eine mögliche Betreuung daheim - auch wenn sie zusätzliche technische Hilfen bzw. Hilfsdienste bis zur 24-Stundenpflege erfordert. Daheim bleiben können bedeutet Komfortgewinn, mehr Flexibilität und erhöhte Lebensqualität für die Betroffenen aber auch für die Angehörigen, wenn unterstützende Pflegedienste verfügbar sind. Später erforderliche Umbauten sind beim anpassbaren Wohnungsmodell leicht und kostengünstig durchzuführen.
Ein wichtiger Punkt sind auch die in der Studie angeführten Umsetzungsmaßnahmen für nachhaltiges und ökologisches Bauen aus ganzheitlicher Sicht. Langfristige Sensibilisierungsmaßnahmen mit positivem Marketing sind erforderlich, um die Sinnhaftigkeit des barrierefreien anpassbaren Wohnens zu kommunizieren. Das betrifft nicht nur den Konsumenten und Hausbauer sondern auch die Planer und Professionisten. Dafür sind zahlreiche Hinweise in der Studie enthalten, bis zur Integration des barrierefreien Bauens bei Wettbewerben, beim Konzept "sichere Gemeinde" sowie Kooperation mit Energie- und Umweltberatern als erste Ansprechpartner.
Nachhaltiges ökologisches Bauen bedeutet geringere Betriebskosten, bessere Anbindung an Infrastruktur und Nahverkehr, insgesamt höherer Wohnkomfort aber auch Energie-Versorgungssicherheit und Ressourcenschonung für zukünftige Generationen.
Hohe Lebensqualität in Niederösterreich - im Einklang mit der Umwelt!

Schlagworte:
Design for All, Nachhaltigkeit, Barrierefreiheit, Wohnbauförderung, Raumordnung, Bauordnung, Best Practice WBF in NÖ,Volkswirtschaftlicher Nutzen,


Elektronische Version der Publikation:
http://publik.tuwien.ac.at/files/PubDat_184411.doc


Erstellt aus der Publikationsdatenbank der Technischen Universität Wien.