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Doctor's Theses (authored and supervised):

C. Simon:
"Effekte altersspezifischer Immigration: ein kontrolltheoretischer Ansatz";
Supervisor, Reviewer: V.M. Veliov, R.F. Hartl; E105-4, 2013.



German abstract:
Zahlreiche Industrieländer sind von fallenden Sterbe- als auch Geburtenraten betroffen, welche in weiterer Folge zu einer Überalterung der Bevölkerung führen. Diese demographischen Veränderungen haben unter anderem Auswirkungen auf die Sozialsysteme
in den jeweiligen Ländern, allen voran auf die öffentlichen Pensionssysteme, welche von einer immer kleiner werdenden arbeitenden Bevölkerungsgruppe finanziert werden müssen. In diesem Zusammenhang wird oft Immigration als Schlüssel zur Eindämmung des Alterungsprozesses genannt. Aufgrund von höherer Mobilität,
politischen Turbulenzen und ökonomischen Ungleichgewichten auf der Welt gab es einen massiven Anstieg der Nettomigration in hoch entwickelte Länder. Das führte dazu, dass sich Immigration im Laufe der letzten Jahrzehnte zu einem immer wichtigeren Thema entwickelt hat. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, das reale Phänomen
der Immigration aus Sicht des Gastlandes durch Abstrahierung mittels mathematischer Modelle nachzubilden, um so ein besseres Verständnis für die zugrunde liegenden Mechanismen zu bekommen. Das beinhaltet naturgemäß auch die analytische sowie numerische Lösung der beschreibenden Gleichungen.
Das Hauptaugenmerk liegt auf der Untersuchung von ökonomischen und demographischen Effekten von Immigration durch Methoden der dynamischen Optimierung.
Im Speziellen sollen qualitative und quantitative (altersspezifische) Effekte der Immigration im Gastland bestimmt werden. Die Anwendung von dynamischer Optimierung für die Untersuchung dieser spezifischen, demographischen Fragestellungen, führt insbesondere zu einer Weiterentwicklung der verwendenten, mathematischen Methoden
und zeigt auch die Vielfalt ihrer Einsatzbereiche.
Es werden mehrere mathematischeModelle erstellt und gelöst, um die oben genannten Untersuchungen durchzuführen. Die ersten beiden Modelle beschränken sich rein auf die demographischen Auswirkungen von Immigration und befassen sich mit dem Einfluss dieser auf zukünftige Bevölkerungsgrößen und -strukturen und in weiterer
Folge mit deren Einfluss auf demographische Indikatoren. Die Frage nach der optimalen altersspezifischen Immigrationspolitik, welche den Abhängigkeitsquotienten der resultierenden Bevölkerung langfristig minimiert, wird mittels eines Kontrollmodells untersucht. Der Abhängigkeitsquotient bezeichnet das Verhältnis der wirtschaftlich abhängigen Altersgruppen (Personen, die noch nicht bzw. nicht mehr im erwerbsfähigen Alter sind) zur Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter. Dabei wird eine stationäre Bevölkerung betrachtet. Das resultierende optimale Kontrollmodell ist linear und umfasst zusätzliche Beschränkungen an die Zustandsgröße oder alternativ an die Kontrollvariable.
Ein sehr allgemeines Maximumsprinizip muss daher zur Bestimmung der optimalen Lösung angewendet werden. Es werden zwei verschiedene Modellformulierungen betrachtet. Die erste Formulierung beinhaltet die zusätzliche Forderung, dass die Anzahl der Immigranten, die jährlich ins Land strömen, fest gewählt ist. Während diese
Forderung durchaus realistisch ist, zeigt das mathematische Modell, dass es in diesem Fall optimal ist, dass Immigranten nahe dem maximalen Lebensalter ins Land einwandern, da diese auf natürliche Weise den Abhängigkeitsquotienten nur gering belasten.
Daher wird in einem nächsten Schritt ein Modell gewählt, welches anstelle der Anzahl der Immigranten die zusätzliche Nebenbedingung einer fixen Bevölkerungsgröße beinhaltet. Für dieses Modell wird gezeigt, dass unter der Bedingung, dass die altersspezifischen
Schranken stark gelockert werden, es optimal ist, dass Migranten mit Mitte 30 einwandern.
In einem nächsten Schritt wird dann die Annahme einer stationären Bevölkerung fallen gelassen, und das über die Zeit variable Altersprofil der Immigranten in eine Bevölkerung konstanter Größe bestimmt, welches die Zahl der Arbeiter in einer Bevölkerung
maximiert. Das erfordert die Formulierung eines spezifischen Kontrollmodells, in dem die Dynamiken mittels Differentialgleichungen mit verteilten Parametern beschrieben werden, untersucht werden. Aus mathematischer Sicht ist dieses Problem aus den folgenden Gründen interessant: (i) das Modell beinhaltet ein Problem mit verteilten
Parametern und einer speziellen Zustandsnebenbedingung (ii) das Problem ist auf unendlichem Zeithorizont gestellt, und (iii) es handelt sich um ein Maximierungsproblem mit einem nicht-konkaven Funktional als Zielfunktion, sodass Wohlgestelltheit des Problems und insbesondere Existenz der Lösung nicht automatisch folgen.
Es kann gezeigt werden, dass unter einer generischen Bedingung und der Annahme, dass die Bevölkerung konstante Mortalität und Fertilität aufweist, das optimale altersspezifische Migrationsprofil unabhängig von den Anfangsdaten ist und konstant über die Zeit. Daher kann die Lösung durch das bereits untersuchte stationäre Problem charakterisiert werden.
Da Immigration nicht nur demographische Auswirkungen hat, werden in einem weiteren Schritt ökonomische Modelle betrachtet, um auch die wirtschaftlichen Auswirkungen von Immigration zu untersuchen. Daher werden bestehende überlappende Generationenmodelle dahingehend erweitert, dass auch Immigranten darin abgebildet werden können. Dabei liegen die Herausforderungen in der ökonomisch und mathematisch
sauberen und konsistenten makro- und mikroökonomischen Modellierung.
Es werden zeitkontinuierliche überlappende Generationenmodelle verwendet, welche auch die Formulierung und Lösung von partiellen Differentialgleichungen beinhalten.
In einem ersten Modell werden die ökonomischen Auswirkungen eines Immigrationsschocks auf die verschiedenen Generationen in der Ökonomie betrachtet.
In einem letzten Modell wird untersucht, welche Rolle das Alter der Immigranten für das Pensionssystem des Gastlandes spielt. Die Auswirkungen der altersspezifischen Einwanderung auf die Höhe der Sozialversicherungssteuer und die Pensionszahlungen im Allgemeinen werden untersucht. Dabei wird ein Pay-as-you-go-Rentensystem, in dem die Höhe der Renten fest gewählt ist, betrachtet. Für das betrachtete
numerische Experiment wird gezeigt, dass die Sozialversicherungssteuer sinkt, wenn die Einwanderer in einem höhere Alter kommen, obwohl der Altersquotient in der Bevölkerung erheblich steigt. Das beruht auf der Tatsache, dass die Zuwanderer
Pensionsansprüche im Gastland aufweisen. Darüber hinaus kann gezeigt werden, dass unter den gewählten Voraussetzungen, Immigranten, über alle Altersgruppen hinweg, Nettozahler des Rentensystems sind. Daher können sie zumindest zu einem gewissen Teil die finanzielle Lücke, die durch die Überalterung der einheimischen Bevölkerung
verursacht wird, schließen. Allerdings sieht man auch, dass Zuwanderung allein auf lange Sicht die fiskalen Herausforderungen nicht lösen kann. Dafür wäre eine unrealistische Erhöhung der Sozialversicherungssteuer notwendig, um einen ausgeglichenen
Haushalt gewährleisten zu können. Daher müssen auch andere Maßnahmen, wie eine Erhöhung des gesetzlichen Rentenalters und Veränderungen in den Parametern des Rentensystems, betrachtet werden.

Keywords:
Immigration, dyn.Optimierung, überlappende Generationenmodelle


Electronic version of the publication:
http://publik.tuwien.ac.at/files/PubDat_224631.pdf


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