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Talks and Poster Presentations (without Proceedings-Entry):

W. Hofkirchner:
"Vernadsky´s concept of the Noosphere within the perspective of systems theory";
Talk: Vom Mineral zur Noosphäre, Museum für Naturkunde, Berlin (invited); 2013-03-15.



German abstract:
Vernadskij war Naturwissenschaftler. Doch hat er mit seinem Konzept der Noosphäre (und der Noogenese) auch Aussagen zur gesellschaftlichen Entwicklung gemacht. Wie sind diese Aussagen zu verstehen? Als naturwissenschaftliche, überprüfbare Aussagen oder als naturwissenschaftlich angeregte gesellschaftswissenschaftliche Spekulationen, die Analogieschlüsse aus der natürlichen Entwicklung auf die gesellschaftliche Entwicklung zieht, oder als Aussagen, die genuin in Gesellschaftstheorie gründen? Im ersten Falle könnten die Aussagen reduktionistisch verstanden werden, wenn und soweit der Bereich des Gesellschaftlichen ganz im Sinne des Naturalismus als ein Bereich betrachtet würde, der rein natürlichen Gesetzen unterliegt. Im zweiten Falle könnte es sich um eine abgeschwächte Variante des Naturalismus handeln. Im dritten Falle würde sich die Frage nach dem Zusammenhang gesellschaftswissenschaftlicher Argumentation mit Argumenten aus der Naturwissenschaft stellen, die z.B. vom Zeitgenossen Vernadskijs Pierre Teilhard de Chardin im Sinne einer Projektion von Annahmen über den Bereich der Gesellschaft auf den Bereich der Natur beantwortet wurde, was als Kulturalismus bezeichnet werden darf. Sowohl beim Naturalismus als auch beim Kulturalismus handelt es sich um unzulässige Schlüsse.

Es soll hier die These verteten werden, dass Vernadskijs Konzept der Noosphäre weder naturalistisch reduziert noch kulturalistisch projiziert. Vernadskijs Argumentation nimmt vielmehr Einsichten und Denkfiguren vorweg, die heute explizit systemtheoretisch gedacht werden können, u.zw. in einer Variante, deren Hauptbegriff "Selbstorganisation" ist und die sich als Evolutionäre Systemtheorie versteht, die Evolution und System zusammen denkt. Diese Evolutionäre Systemtheorie steht in der Tradition von Ludwig von Bertalanffys Allgemeiner Systemtheorie. Bertalanffy hatte den Streit zwischen Mechanizisten und Vitalisten in der Biologie durch den Organisationsbegriff entschieden, den er zum Systembegriff erweiterte: Die Relationen der Organisation der Elemente sind es, die den Unterschied zwischen den physikalisch-chemischen und den lebenden Systemen ausmachen - also zwischen Systemen unterschiedlicher Evolutionsstufen; die Relationen der Organisation entstehen im Laufe der Evolution durch das Zusammenwirken von Protoelementen und werden durch das Zusammenwirken der Elemente in bestehenden Systemen aufrechterhalten. Es soll gezeigt werden, dass Biosphäre und Noosphäre sich ebenfalls durch die Relationen der Organisation der betreffenden Sphären unterscheiden und die Noogenese den gleichen allgemeinen Gesetzen der Systemtheorie folgt, die die Emergenz von Neuem betreffen. Damit ist Vernadskijs Konzept der Noosphäre richtungsweisend: Es kann als gesellschaftswissenschaftliches Konzept ausgewiesen werden, welches das naturwissenschaftliche Konzept der Biosphäre dialektisch integriert.

Keywords:
culturalism, naturalism, Bertalanffy, systems theory, biosphere, noosphere


Electronic version of the publication:
http://www.hofkirchner.uti.at/wp-content/uploads/2013/03/vernadskij2013pdf.pdf


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