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Diplom- und Master-Arbeiten (eigene und betreute):

G. Hinker:
"Einsatzpotentiale von Antriebskonzepten mit Energiespeichern für Schienenfahrzeuge";
Betreuer/in(nen): N. Ostermann, T. Maly; Institut für Verkehrswissenschaften, 2009.



Kurzfassung deutsch:
Mobile Energiespeicher, die am Fahrzeug Traktionsenergie zwischenspeichern, stellen eine Möglichkeit dar, mehreren Herausforderungen der Fahrdynamik zu begegnen: Einerseits der Problematik der Bremsenergie, deren abnützungsfreie Umsetzung in elektrische Energie dank moderner Drehstromtechnik zwar unproblematisch ist, deren Rekuperation in die Fahrleitung aber bei Stadtverkehrsnetzen problematisch und im Dieselbetrieb unmöglich ist. Andererseits können Energiespeicher zur Glättung des Traktionsenergiebedarfs eingesetzt werden, um damit eine Entlastung des elektrischen Alimentationsnetzes oder eine kleinere Dimensionierung der Primärquelle (d. h. des Dieselmotors) bei gleicher elektromotorischer Traktionsleistung zu erreichen. Ein dritter Aspekt ist die von Betreibern zunehmend geforderte Möglichkeit, fahrleitungsfreie Abschnitte im elektrischen Stadtverkehr zu überbrücken.
Ziel dieser Arbeit ist die Abschätzung der fahrdynamischen Optimierungspotentiale von verschiedenen Energiespeicherkonstellationen und Speicherstrategien bei verschiedenen Lastfällen. Um dabei über größtmögliche Autonomie zu verfügen, wurde ein eigenes Fahrdynamik-Simulationsmodell mit MATLAB/Simulink erstellt. Die Zielgröße der Untersuchung stellte dabei die Traktionsenergie dar; die Primärenergiequelle und Leistungselektronik wurden nicht simuliert. Sämtliche Vergleichswerte des Traktionsenergieverbrauchs verschiedener Konfigurationen können daher nicht direkt auf den Gesamtenergieverbrauch übertragen werden, weisen aber auf das Potential hin. Auch die für eine Durchsetzung der Technologie ebenso ausschlaggebende wirtschaftliche Seite war nicht Gegenstand der Untersuchung.
Drei Speichermedien sind aufgrund ihres Entwicklungsstandes, ihrer Verfügbarkeit am Markt und bereits erfolgter Versuchseinsätze als prinzipiell geeignet für Anwendungen als Traktionsenergiespeicher erachtet worden: Akkumulator-Batterien, Hochleistungskondensatoren (SuperCaps) und Schwungmassenspeicher. Einschränkend bei Batterie-Speichern wirkt die geringe Zyklenfestigkeit von einigen tausend Ladezyklen und die geringe Leistungsdichte. Bei SuperCaps ist der geringe Energieinhalt die technisch problematische Größe, während Schwungmassenspeicher im geladenen Zustand relativ hohe Verlustleistungen aufweisen. Zudem wurden Schwungmassenspeicher bislang lediglich in einzelnen Prototypen getestet, weshalb eventuelle Zulassungsschwierigkeiten als potentielles Hindernis im Raum stehen.
Mittels des Simulationsmodells wurden typische Fahrspiele verschiedener Triebfahrzeuge simuliert. Im Falle einer exemplarischen Fahrt eines elektrischen Straßen-/Stadtbahntriebwagens konnte durch Anwendung gängiger Speichermodule zur Speicherung von Bremsenergie eine Reduktion der Traktionsenergie um 58% erreicht werden. Die Simulation einer fahrleitungsautonomen Fahrt zeigte, dass eine Kombination aus leistungsstarkem Speicher für Beschleunigungsvorgänge und energiedichtem Speicher für die Beharrungsfahrt als effiziente Lösung erscheint.
Bei der Simulation eines dieselelektrischen Regionaltriebwagens konnte ein erhebliches Potential für die Reduktion der Leistung des Dieselmotors ermittelt werden: für die simulierte Strecke konnte bei Einsatz eines Speichers die gleiche Fahrzeit mit einer Netto-Motorleistung von 207 statt 900 kW bei gleichzeitiger Senkung des Traktionsenergieumsatzes um 47% ermittelt werden. Der hiefür benötigte Speicher wäre allerdings voluminös, schwer und teuer; ebenso würden bei höheren Streckenwiderstände (Neigungen) höhere Leistungen benötigt.
Auch bei der Betrachtung eines dieselelektrischen Verschubfahrzeugs mit 750 kW Traktionsleistung wurde das Potential zur Reduktion der Leistung des Dieselmotors sichtbar: Im simulierten Lastfall konnte bei Einsatz eines Energiespeichers dasselbe Fahrspiel mit einer auf 94 kW Leistung reduzierten Primärquelle erbracht werden.
Aus den Untersuchungen geht hervor, dass keine der am Markt befindlichen Speichertechnologien die technischen Anforderungen an einen Traktionsenergiespeicher in idealer Weise erfüllt. Bei Fahrspielen, die von einer kurzen Haltfolge geprägt sind, ermöglichen Energiespeicher eine erhebliche Einsparung an Traktionsenergie. Teillastintensive Fahrspiele weisen ein großes Potential zur Redimensionierung der Primärquellenleistung auf, allerdings sind die möglichen Lastfälle gut zu untersuchen, um Unterdimensionierungen zu vermeiden. Eine Betrachtung des Schienenfahrzeugmarktes zeigt, dass nach einer zehnjährigen Experimentierphase erstmals Fahrzeuge mit Traktionsenergiespeichern am Markt sind. Für eine weitere Marktdurchdringung wird neben technischen Aspekten die wirtschaftliche Rentabilität ausschlaggebend sein.

Erstellt aus der Publikationsdatenbank der Technischen Universität Wien.