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Beiträge in Tagungsbänden:

U. Pont, S. Swoboda, A. Jonas, K. Tavoussi Tafreshi:
"Knowledge-based architectural design - Eine entwurfsbezogene Annäherung";
in: "Forschungstag 2016", Fakultät für Arch & RPL (Hrg.); herausgegeben von: Tu Wien, Fakultät für Architektur und Raumplanung; Forschungstag 2016, Wien, 2017, ISBN: 978-3-902707-32-1, S. 246 - 247.



Kurzfassung deutsch:
Architektonisches Entwerfen stellt sicherlich eine der Hauptlehrrichtungen an einer Architekturfakultät dar. Es heißt, an der Universität darf man Dinge ausprobieren, die in der Praxis aus Kosten-, Zeit- oder Realitätsgründen nicht machbar wären. Nichtsdestotrotz stellt das "Entwerfen unter realen Rahmenbedingungen" eine wichtige Befähigung junger ArchitektInnen dar, die aus naheliegenden Gründen als Befähigung der Absolventen hocherwünscht ist. Aus diesen Gründen haben sich die Autoren dieses Artikels Ende 2013 die Frage gestellt, wie eine Entwurfsübung aussehen könnte, die gestalterischen Anspruch, reale Rahmenbedingungen, wissensbasierte Annäherung und einen entwerferisch-verspielten aber dennoch forschenden Zugang vereinen kann. Der Entwurfsprozess ist in der Praxis nicht nur Zeitdruck und Kostendruck unterworfen, sondern auch durch sich stetig verändernde gesetzliche und normative Vorgaben verschiedenster Richtungen, veränderliche Bauherrenwünsche und die (bau)wirtschaftliche Gesamtlage geprägt. Dazu kommt die Interdisziplinarität, in der sich Planende von heute und morgen zurecht finden müssen. Die Frage, soll die grundlegende Bauphysik und basale Statik selbst abgehandelt werden, oder ein Fachplaner bereits in frühester Phase beigezogen werden, stellt sich in der Praxis oft und ist nicht immer ganz leicht zu beantworten. Dazu kommt, das Planende die Kommunikation mit den bewilligenden Stellen üben sollten.
Nach einigen Überlegungen war klar, dass die geplante Entwurfsübung über den bloßen Entwurf hinausgehen sollte und die Baupolizei, die Fächer Statik und Bauphysik, sowie einen firmen- und fachmeinungs-bezogenen externen Input einbeziehen sollte. Die Wiener Baupolizei (Magistratsabteilung 37) nahm die Idee begeistert auf und sagte Ihre Mitwirkung durch die Gebietsgruppenleitungen zu. Dadurch konnten in den vergangenen Sommersemestern jeweils 20 Studierende den Entwurfs-, Einreich- und Detaillierungsprozess für einen gründerzeitlichen Wiener Rohdachbodenausbau (2014), den Um-/Erweiterungsbau eines Einfamilienhauses aus den 1930er Jahren (2015) und das Befüllen einer durch Abriss eines maroden Gründerzeithauses entstandenen Baulücke (2016) vom Vorentwurf bis zur Bewilligungsfähigkeit und Errichtbarkeit (Einreichplanung, Bauphysik, Statik, Leitdetaillierung) üben.
Folgende Charakteristika zeichnen die genannten Übungen aus, und sind auch aus einer empirischen Forschungssicht interessant:
- Finden einer realen, anstehenden Bauaufgabe
- Bildung von Gruppen a 2 Personen.
- Jeder Gruppe wird eine andere Gruppe als "Bauherrengruppe" zugeteilt. Diese Bauherrengruppe erstellt ein Anforderungsprofil an den Entwurf hinsichtlich Nutzungsszenario und Nutzerwünschen.
- Relativ zügige Erstellung und Durchführung eines Vorentwurfs.
- Einbeziehung bauphysikalischer und baustatischer Kriterien
- Studierende gehen mehrmals im Semester mit Ihren (Vor)Entwürfen zur Baupolizei (Gebietsgruppen Süd, West, Nord) um die Bewilligungsfähigkeit zu diskutieren und darauf aufbauend zu erarbeiten.
- Am Ende der Entwurfs-Übung sind nicht nur die fertigen Entwurfspläne und ein digitales oder physisches Gebäudemodell, sondern auch bewilligungsfähige Einreichpläne (Verwenden der richtigen Darstellung), basale statische Berechnungen (Standfestigkeit, Spannweiten, Erdbebensicherheit, Aussteifungen) und bauphysikalische Evaluierungen des Bauwerkes (thermohygrischer Aspekte - Heizwärmebedarf, Anfall von Oberflächen- und Bauteilkondensat sommerliche Überwärmung - und bauakustische Belange - bewertetes Schalldämmmaß, Luftschall- und Trittschallschutz- sowie Energieausweis) und tatsächlich errichtbare Leitdetails zu präsentieren und abzugeben.
- Abgerundet wird das Programm durch Gastvorträge und Exkursionen. Hier konnten in den letzten drei Jahren Exkursionen, Gast- bzw. Inputvorträge durch verschiedene Firmen (z.B. Fa. Isover, Fa. Wienerberger) und Fachleute, wie z.B. Dipl. Ing. W. Pausa (Brandschutz) und Univ.Prof. Dr. G. Goger (Bauverfahrenstechnik) organisiert werden.
- Studierende werden in der Übung angehalten, Ihren Zeitaufwand für verschiedene Tätigkeiten im Entwurf in einem Musterblatt aufzuzeichnen. Aus der Analyse dieser Blätter konnte im Sommer 2015 eine wissenschaftliche Publikation ("Effort and effectiveness considerations in architectural design: Two case studies of architectural design studios") erstellt werden, in der die verschiedenen Aufwände für unterschiedliche Tätigkeiten in der Durchführung der Entwurfsübung erfasst werden konnten, und Fragestellungen wie Spezialisierung versus kollektiver Bearbeitung von einzelnen Aspekten, Arbeitsbelastung zu verschiedenen Zeiten im Semester und andere bearbeitet werden.
Die große Nachfrage nach den Entwurfsübungen in den vergangenen Semestern und das gute Feedback der teilnehmenden Studierenden zeigen, dass das Konzept als sinnvolle Übung des architektonischen Alltags angenommen wird. Für die Zukunft ist eine Aufnahme von Aspekten der Kostenabschätzung und der Wirtschaftlichkeit von Konstruktionen angedacht. Die genannten Entwurfsübungen dienen auch als Test- und Entwicklungslabor für die empirische Erforschung, wie zukünftige Planende mit den sehr vielfältigen und teilweise widersprüchlichen Anforderungen der heutigen Zeit umgehen und diese in Entwürfen umsetzen. Darüber hinaus lässt sich sehr gut ablesen, welche der Anforderungen für angehende Architekturschaffende leicht umzusetzen sind, und welche möglicherweise noch in "benutzerfreundlichere" Varianten übersetzt werden sollten.

Kurzfassung englisch:
(not available, german version) Architektonisches Entwerfen stellt sicherlich eine der Hauptlehrrichtungen an einer Architekturfakultät dar. Es heißt, an der Universität darf man Dinge ausprobieren, die in der Praxis aus Kosten-, Zeit- oder Realitätsgründen nicht machbar wären. Nichtsdestotrotz stellt das "Entwerfen unter realen Rahmenbedingungen" eine wichtige Befähigung junger ArchitektInnen dar, die aus naheliegenden Gründen als Befähigung der Absolventen hocherwünscht ist. Aus diesen Gründen haben sich die Autoren dieses Artikels Ende 2013 die Frage gestellt, wie eine Entwurfsübung aussehen könnte, die gestalterischen Anspruch, reale Rahmenbedingungen, wissensbasierte Annäherung und einen entwerferisch-verspielten aber dennoch forschenden Zugang vereinen kann. Der Entwurfsprozess ist in der Praxis nicht nur Zeitdruck und Kostendruck unterworfen, sondern auch durch sich stetig verändernde gesetzliche und normative Vorgaben verschiedenster Richtungen, veränderliche Bauherrenwünsche und die (bau)wirtschaftliche Gesamtlage geprägt. Dazu kommt die Interdisziplinarität, in der sich Planende von heute und morgen zurecht finden müssen. Die Frage, soll die grundlegende Bauphysik und basale Statik selbst abgehandelt werden, oder ein Fachplaner bereits in frühester Phase beigezogen werden, stellt sich in der Praxis oft und ist nicht immer ganz leicht zu beantworten. Dazu kommt, das Planende die Kommunikation mit den bewilligenden Stellen üben sollten.
Nach einigen Überlegungen war klar, dass die geplante Entwurfsübung über den bloßen Entwurf hinausgehen sollte und die Baupolizei, die Fächer Statik und Bauphysik, sowie einen firmen- und fachmeinungs-bezogenen externen Input einbeziehen sollte. Die Wiener Baupolizei (Magistratsabteilung 37) nahm die Idee begeistert auf und sagte Ihre Mitwirkung durch die Gebietsgruppenleitungen zu. Dadurch konnten in den vergangenen Sommersemestern jeweils 20 Studierende den Entwurfs-, Einreich- und Detaillierungsprozess für einen gründerzeitlichen Wiener Rohdachbodenausbau (2014), den Um-/Erweiterungsbau eines Einfamilienhauses aus den 1930er Jahren (2015) und das Befüllen einer durch Abriss eines maroden Gründerzeithauses entstandenen Baulücke (2016) vom Vorentwurf bis zur Bewilligungsfähigkeit und Errichtbarkeit (Einreichplanung, Bauphysik, Statik, Leitdetaillierung) üben.
Folgende Charakteristika zeichnen die genannten Übungen aus, und sind auch aus einer empirischen Forschungssicht interessant:
- Finden einer realen, anstehenden Bauaufgabe
- Bildung von Gruppen a 2 Personen.
- Jeder Gruppe wird eine andere Gruppe als "Bauherrengruppe" zugeteilt. Diese Bauherrengruppe erstellt ein Anforderungsprofil an den Entwurf hinsichtlich Nutzungsszenario und Nutzerwünschen.
- Relativ zügige Erstellung und Durchführung eines Vorentwurfs.
- Einbeziehung bauphysikalischer und baustatischer Kriterien
- Studierende gehen mehrmals im Semester mit Ihren (Vor)Entwürfen zur Baupolizei (Gebietsgruppen Süd, West, Nord) um die Bewilligungsfähigkeit zu diskutieren und darauf aufbauend zu erarbeiten.
- Am Ende der Entwurfs-Übung sind nicht nur die fertigen Entwurfspläne und ein digitales oder physisches Gebäudemodell, sondern auch bewilligungsfähige Einreichpläne (Verwenden der richtigen Darstellung), basale statische Berechnungen (Standfestigkeit, Spannweiten, Erdbebensicherheit, Aussteifungen) und bauphysikalische Evaluierungen des Bauwerkes (thermohygrischer Aspekte - Heizwärmebedarf, Anfall von Oberflächen- und Bauteilkondensat sommerliche Überwärmung - und bauakustische Belange - bewertetes Schalldämmmaß, Luftschall- und Trittschallschutz- sowie Energieausweis) und tatsächlich errichtbare Leitdetails zu präsentieren und abzugeben.
- Abgerundet wird das Programm durch Gastvorträge und Exkursionen. Hier konnten in den letzten drei Jahren Exkursionen, Gast- bzw. Inputvorträge durch verschiedene Firmen (z.B. Fa. Isover, Fa. Wienerberger) und Fachleute, wie z.B. Dipl. Ing. W. Pausa (Brandschutz) und Univ.Prof. Dr. G. Goger (Bauverfahrenstechnik) organisiert werden.
- Studierende werden in der Übung angehalten, Ihren Zeitaufwand für verschiedene Tätigkeiten im Entwurf in einem Musterblatt aufzuzeichnen. Aus der Analyse dieser Blätter konnte im Sommer 2015 eine wissenschaftliche Publikation ("Effort and effectiveness considerations in architectural design: Two case studies of architectural design studios") erstellt werden, in der die verschiedenen Aufwände für unterschiedliche Tätigkeiten in der Durchführung der Entwurfsübung erfasst werden konnten, und Fragestellungen wie Spezialisierung versus kollektiver Bearbeitung von einzelnen Aspekten, Arbeitsbelastung zu verschiedenen Zeiten im Semester und andere bearbeitet werden.
Die große Nachfrage nach den Entwurfsübungen in den vergangenen Semestern und das gute Feedback der teilnehmenden Studierenden zeigen, dass das Konzept als sinnvolle Übung des architektonischen Alltags angenommen wird. Für die Zukunft ist eine Aufnahme von Aspekten der Kostenabschätzung und der Wirtschaftlichkeit von Konstruktionen angedacht. Die genannten Entwurfsübungen dienen auch als Test- und Entwicklungslabor für die empirische Erforschung, wie zukünftige Planende mit den sehr vielfältigen und teilweise widersprüchlichen Anforderungen der heutigen Zeit umgehen und diese in Entwürfen umsetzen. Darüber hinaus lässt sich sehr gut ablesen, welche der Anforderungen für angehende Architekturschaffende leicht umzusetzen sind, und welche möglicherweise noch in "benutzerfreundlichere" Varianten übersetzt werden sollten.

Erstellt aus der Publikationsdatenbank der Technischen Universität Wien.