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Talks and Poster Presentations (without Proceedings-Entry):

N. Roskamm:
"Gespenster. Von der `spectral analysis´ zum `speculative turn´ (und wieder zurück)";
Talk: Deutscher Kongress für Geographie., Berlin; 2015-10-01 - 2015-10-06.



German abstract:
Von der `spectral analysis ́ zum `speculative turn ́ gelangt man nur über einen Umweg: Die Gespenster (spectres) haben mit dem Spekulieren bloß scheinbar einen gemeinsamen Wortherkunft. Dieser trügerische Schein steht am Anfang meiner Überlegung.
Startpunkt meiner Ausführung ist dabei das Konzept des Gespensts und der Vorschlag der `spectral analysis ́ der Stadt, den Henry Lefebvre in seinem Text zum Recht auf Stadt ausbreitet (1). Lefebvre formuliert, dass die "Gespenster der Stadt" vor unseren Augen spuken. In der Stadt, das ist seine These, erscheinen Geister und Gespenster bevorzugt, die Stadt ist die Kontrastfolie, vor der die Gespensterwesen besonders gut sichtbar werden. Lange bevor Derrida die Gespenster von Marx bemüht, suchen sie also bereits Lefebvres Stadttheorie heim. Lefebvre schreibt, dass das Gespenst des Kommunismus vielleicht nicht mehr in Europa umgehe, dieses "alte Grauen" aber durch einen anderen Geist ersetzt worden ist, nämlich durch den "Schatten der Stadt". Mein Vorschlag ist es, den Gedanken einer solchen Spektralanalyse der Stadt zu reaktivieren.
Vom spectre nehme ich den naheliegenden Abzweig zum Begriff des Heimsuchens (to haunt) und zur ontologischen Hantologie, die Jacques Derrida in seinem Essay zu Marx` Gespenstern entwickelt (2). Diese "Gespensterlehre" hat zum Zweck, das Denken des Seins auf ein "Denken des Gespenstigen" umzustellen, und zwar nicht, um die Gespenster auszutreiben und sie vor die Tür zu setzen, sondern um sie zu sortieren, zu kritisieren, bei sich zu behalten und wiederkommen zu lassen. Spuken, so erklärt Derrida, heißt "nicht gegenwärtig sein" und er schlägt vor, den Spuk in die "Konstruktion eines Begriffs" aufzunehmen, und zwar in die Konstruktion eines jeden Begriffs. Die Hantologie ist dabei keine Ontologie klassischen Zuschnitts, sie postuliert nicht die Existenz einer stabilen Seinsordnung, sondern macht sich den Spuk bewusst, der das Soziale plagt.
Von der Hantologie aus ist der `ontological turn ́ bereits in Sicht. Die von mir vorgeschlagene Wiederaufnahme des Lefebvreschen Projekts einer spektralen Analyse der Stadt ist vermutlich als ein Teil dieser Wende einzuordnen. Die Reise mit ihren Stationen `spectral analysis ́, Hantologie, `ontological turn ́ und `speculative turn ́ lässt sich dann dafür nutzen, über die Relevanz des `speculative turn ́ für die Humangeographie (bzw. in meinem Fall eher für die urban studies) zu spekulieren (3).

Created from the Publication Database of the Vienna University of Technology.