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Talks and Poster Presentations (without Proceedings-Entry):

L. Franta:
"Kampf um Protestraum: Postdemokratische Regierungstechniken und Protest in Wien";
Talk: ÖGS Kongress Salzburg 2019, Salzburg; 09-26-2019 - 09-28-2019.



German abstract:
Titel: Kampf um Protestraum: Postdemokratische Regierungstechniken und Protest in Wien
Autor: Lukas Franta, FB Soziologie, TU Wien
Seit der Finanz- und Wirtschaftskrise der späten 2000er-Jahre lässt sich in europäischen und anderen
Städten eine Intensivierung von urbanen Protestaktivitäten beobachten, teilweise in Form von
dauernden Protestaktivitäten wie beispielsweise "Occupy Wall Street", oder wie im Fall von Wien in
Form von Demonstrationszügen unter dem Motto "Es ist wieder Donnerstag" (Donnerstagsdemos).
Beide Formen des Protests machen sich "politics of place" zu Nutze, um durch die Präsenz an
bestimmten Orten im Stadtraum ihre Forderungen symbolisch aufzuladen und neue Visionen und
Alternativen zu kreieren (Leitner et al. 2008). Orte und die Materialität des Raumes haben also eine
spezifische Bedeutung für urbanen Protest, was sich gut an den regelmäßig wiederkehrenden und je
nach Forderungen unterschiedlichen Marschrouten der Donnerstagsdemos in Wien zeigt. In diesem
Sinne stellen Demonstrationen nicht nur durch ihre Forderungen nach Alternativen die dominante
gesellschaftliche Ordnung in Frage, sondern auch die räumliche Ordnung in der Stadt. Dies zeigt sich
durch Debatten in Wien, die sich für das Ausweisen von eigenen "Demo-Zonen" in Randgebieten der
Stadt zeigt, um die innerstädtischen Bereiche frei zu halten von als störend bewerteten
Demonstrationsmärschen und so die dominante räumliche Ordnung zu bewahren. Es findet also bei
Demonstrationen auch ein Kampf um den Stadtraum statt.
Um diesen Kampf um Stadtraum und eingeschriebene Hierarchien zu verstehen, bieten sich
radikaldemokratische Theorien an, die eine Brücke schlagen zwischen politisch-ökonomischen und
räumlich-sozialen Entwicklungen und Auseinandersetzungen. Prozesse der beschleunigten
Ökonomisierung, Kommodifizierung, Marginalisierung von bestimmten sozialen Gruppen und einer
Re-Feudalisierung von politischen Entscheidungsprozessen stehen dabei im Zentrum. Rancières
Theorie der Postdemokratie (1999,2001) beschreibt diese Entwicklungen und bezeichnet Demokratie
als Konfliktmomente des Widerstands gegen die dominante gesellschaftliche und räumliche Ordnung
("Police"). Diese "Police" wiederum ist durch verschiedene Regierungstechniken bestrebt, die
dominante Ordung zu bewahren durch das Erzeugen von Exklusionen und das Verunmöglichen von
Widerspruch (Mullis & Schipper 2013, Gomes de Matos 2013).
Dieser Beitrag untersucht, welche Regierungstechniken im Fall der Donnerstagsdemos in Wien
angewandt werden, um die dominante gesellschaftliche und räumliche Ordnung zu bewahren. Die
Forschungsfragen dieses Beitrags sind:
. Welche postdemokratischen Regierungstechniken werden angewandt, um Protesträume in
Wien zu steuern?
. Welche Diskurse finden dazu in Wien statt und wie lassen sich diese postdemokratisch
verorten?
Quellen:
Rancière, J (1999): Disagreement. Politics and Philosophy. University of Minnesota Press, Minneapolis
Rancière, J (2001): Ten Theses on Politics. In: Theory & Event, Vol. 5(3), 2001
Mullis, D & Sebastian Schipper (2013): Die postdemokratische Stadt zwischen Politisierung und Kontinuität. In: suburban,Heft 2, 79-100
Gomes de Matos, C (2013): Das Modell Barcelona - Partizipation, Protest und Postpolitik. In: suburban, Heft 2, 121-140

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