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Dissertationen (eigene und begutachtete):

F. Dorner:
"Mit dem Lastenrad mobil - Nutzung und Sharing im Kontext privater Haushalte";
Betreuer/in(nen), Begutachter/in(nen): M. Berger, B. Leerkamp; Institut für Raumplanung, 2020.



Kurzfassung deutsch:
Nachdem Lastenräder im Zuge der Massenmotorisierung in Europa fast verschwunden waren, erleben sie derzeit eine Renaissance. Sie bieten das (theoretische) Potenzial, einen erheblichen Teil von privaten und gewerblichen Pkw-Fahrten zu ersetzen, was vor dem Hintergrund des Klimawandels und hoher Schadstoffbelastung eine besondere Relevanz hat. Die Präsenz von Transporträdern in den Straßen mitteleuropäischer Städte hat in den vergangenen Jahren zwar deutlich zugenommen, dennoch sind Lastenräder immer noch ein Nischenprodukt. Die Verbreitung wird durch eine Reihe von Barrieren erschwert. Dazu zählen beispielsweise hohe Anschaffungskosten in Kombination mit nur gelegentlichem Transportbedarf, fehlenden Abstellplätzen im Wohnbau oder mangelnden Möglichkeiten Transporträder für Alltagszwecke zu erproben.Die geteilte Nutzung von Lastenrädern bietet die Möglichkeit diesen Barrieren zu begegnen. Zugleich trägt es zu einer besseren Sichtbarkeit von Lastenrädern bei, um sie so als Transportoption im Bewusstsein zu verankern. Lastenrad-Sharing ist durch eine Vielzahl von verschiedenen Initiativen gekennzeichnet. Das Angebot wird von hostbasierten Systemen dominiert, während stationsbasierte Modelle und Peer-to-PeerSharing derzeit noch eine untergeordnete Rolle spielen. Als InitiatorInnen solcher Projekte treten häufig zivilgesellschaftliche und öffentliche AkteurInnen auf. Bisherige Untersuchungen von Lastenrad-Sharing zeigen, dass die Nutzenden solcher Angebote einen sehr hohen Akademiker- und Männeranteil aufweisen, in Haushalten mit überdurchschnittlicher Größe leben und Fahrräder eine wesentliche Rolle in deren Alltagsmobilität einnehmen. Schwerpunkt dieser Arbeit bildet die Beschreibung und Erklärung von Lastenrad-Nutzung sowie die Rolle von Lastenrad-Sharing in diesem Zusammenhang. Als Datengrundlage fungieren sowohl Befragungs- als auch Nutzungsdaten. Die Befragungsdaten stammen aus einer Erhebung im Rahmen des Projekts LARA Share sowie aus der Evaluierung des Sharing-Angebots Grätzlrad. Zur Analyse von hostbasiertem und stationsbasiertem Sharing konnte zudem auf Nutzungsdaten der Verleihsysteme Grätzlrad und Seestadtflotte zurückgegriffen werden. Die Zusammensetzung der Befragungsteilnehmenden weicht hinsichtlich der betrachteten Merkmale erheblich ab. Die Struktur der befragten Personen ist ähnlich derer, wie diese auch in vorhergehenden Forschungsprojekten bei Lastenrad-Nutzenden festgestellt werden konnte. Um vertiefende Erkenntnisse zu ermöglichen, wurden zudem Subgruppen der Stichprobe betrachtet. Für die Segmentierung der Stichprobe wird sowohl ein a priori-Ansatz gewählt als auch eine post-hoc Segmentierung mittels Clusteranalyse durchgeführt. Die Lastenrad-Nutzung in den Gruppen wird anhand der Merkmale Häufigkeit und Einsatzzwecke analysiert. Dabei zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen a priori definierten Gruppen, BesitzerInnen und NutzerInnen, die über kein Transportrad im Haushalt verfügen. BesitzerInnen verwenden Lastenräder regelmäßig, während NutzerInnen nur gelegentlich damit fahren. Damit einher geht die klare Tendenz, dass BesitzerInnen Transporträder für regelmäßig anfallende Zwecke wie Einkäufe oder Kindertransporte nutzen. Bei NutzerInnen dominieren hingegen Wege, die nur gelegentlich anfallen. Deutliche Unterschiede in der Häufigkeit der Verwendung von Lastenrädern zeigen sich auch zwischen den mittels Clusteranalyse identifizierten Klassen. Die Ergebnisse der Clusteranalyse zeigen zudem, dass Familien eine wichtige Zielgruppe für Lastenräder sind, vorausgesetzt die entsprechende Motivation für deren Nutzung ist gegeben. Anhand der Cluster lassen sich außerdem Gruppen identifizieren, die Potenzial für (intensivere) Lastenrad-Nutzung aufweisen.Zur Erklärung der Nutzung von Transporträdern wird die Rolle interner verhaltensbeeinflussender Faktoren unter Einbeziehung der Theorie des geplanten Verhaltens analysiert. Die Ergebnisse des Strukturgleichungsmodells zeigen, dass anhand dieser Theorie nur 19% der Varianz in der Intensität der Lastenrad-Nutzung erklärt werden können. Die Qualität und die Aussagekraft des Modells können verbessert werden, wenn die Anzahl der Lastenräder im Haushalt als exogene Variable ins Modell aufgenommen wird. Situative Einflüsse, wie die Verfügbarkeit von Lastenrädern, dürften damit entscheidenden Einfluss auf deren Nutzung haben, während für die Intention kein Effekt nachgewiesen werden konnte.Eine Möglichkeit die Verfügbarkeit von Lastenrädern zu verbessern und damit die Nutzung zu steigern ist Sharing. Unter den verschiedenen Sharing-Modellen weisen hostbasierte Angebote derzeit die größte Nachfrage auf. Die Verleihvorgänge sind häufig informell organisiert, was beispielsweise der hohe Anteil von mündlichen Vereinbarungen von Ausleihen zeigt. Im Zuge der Ausweitung ist auch eine Professionalisierung und Formalisierung des Angebots zu erwarten (z. B. durch stationsbasiertes Sharing), um ein breiteres Spektrum an Zielgruppen ansprechen zu können sowie um die Effizienz von Verleihvorgängen zu erhöhen.Das wird auch durch den Vergleich von Verleihdaten eines hostbasierten und eines stationsbasierten Angebots untermauert. Grätzlrad (hostbasiert) und Seestadtflotte (stationsbasiert) in Wien zeigen zwar ähnliche Nachfragekurven im Zeitverlauf. Die durchschnittliche Verleihdauer ist beim stationsbasierten Lastenrad-Sharing jedoch erheblich kürzer, was auf den automatisierten (und damit effizienten) Verleihvorgang und die entfallende Notwendigkeit einer vorhergehenden Reservierung zurückzuführen sein dürfte. Anhand des hostbasierten Systems Grätzlrad wird zudem gezeigt, dass es gravierende Unterschiede bei den Verleihzahlen zwischen den Standorten gibt. Neben der Nähe zum Wohnort sind auch die Öffnungszeiten und das zur Verfügung stehende Transportrad-Modell maßgebend für die Wahl des Verleihstandortes durch die Ausleihenden. Die Befragungsdaten der Grätzlrad-Nutzenden lassen zudem eine Abschätzung der verkehrlichen Wirkungen von hostbasiertem Lastenrad-Sharing zu. Rund die Hälfte der Ausleihen ersetzten Fahrten mit einem Pkw. Von den Nutzenden haben 70% mit der Fahrt mit dem Grätzlrad erstmals ein Lastenrad verwendet, 95% planen in Zukunft wieder ein Lastenrad zu nutzen. Das lässt auf erhebliche, indirekte Verlagerungseffekte schließen, indem zukünftige Verhaltensentscheidungen zugunsten des Lastenrades beeinflusst werden. Die Etablierung von Sharing-Angeboten stellt somit eine geeignete Maßnahme dar, um die Verwendung von Lastenrädern zu fördern.Lastenräder haben das Potenzial einen Beitrag zur Transformation des Mobilitätssystems im Sinne einer klimaverträglichen Fortbewegung zu leisten. Zentrale Herausforderung dabei ist, den Kreis der Nutzenden erheblich zu erweitern und neue Zielgruppen anzusprechen. Vertiefender und ergänzender Forschungsbedarf in Zusammenhang mit den Ergebnissen ergibt sich daher vor allem in der Abschätzung des Potenzials der Lastenrad-Nutzung in der Gesamtbevölkerung und Identifikation entsprechender Zielgruppen. Mittels Längsschnittuntersuchung könnte die Veränderung des Mobilitätsverhaltens sowie von handlungserklärenden Faktoren durch Veränderungen in der Verfügbarkeit von Lastenrädern (z. B. durch eine Anschaffung) analysiert werden. Praktische Empfehlungen zur Förderung von Lastenrädern betreffen insbesondere infrastrukturelle Verbesserungen im Bereich Radfahr- und Abstellanlagen und den zielgruppenorientierten und an den räumlichen Kontext angepassten Ausbau von Sharing-Angeboten.

Kurzfassung englisch:
After cargo bikes had almost disappeared in Europe in the course of mass motorisation, they are currently experiencing a renaissance. They offer the (theoretical) potential to replace a significant share of private and commercial car trips, which is particularly relevant considering climate change and high pollution levels. Although the presence of cargo bikes on the streets of Central European cities has increased significantly in recent years, cargo bikes are still a niche product. Their diffusion is hindered by a number of barriers. These include, for example, high purchase costs combined with only occasional transport needs, a lack of parking spaces in residential buildings or a limited opportunity to test transport bikes for everyday use.The shared use of cargo bikes offers the opportunity to overcome these barriers. At the same time, it contributes to a better visibility of cargo bikes, thus anchoring them in consciousness as a transport option. Cargo bike sharing is characterised by a variety of different initiatives. The spectrum is dominated by hostbased systems, while station-based models and peer-to-peer sharing currently play a minor role. Usually civil society and public actors act as initiators of such projects. Previous studies of cargo bike sharing have shown that the users of such services have a very high proportion of academics and males, live in households of above-average size and cycling plays an important role in their everyday mobility. This study focuses on the description and explanation of cargo bike use and the role of cargo bike sharing in this context. Both survey and usage data serve as a statistical basis. The survey data originate from a survey carried out as part of the LARA Share project and from the evaluation of the Grätzlrad programme. In addition, usage data from the Grätzlrad and Seestadtflotte rental systems could be used to analyse hostbased and station-based sharing. The structure of the survey participants differs considerably from the overall population regarding the considered characteristics. The structure of the respondents is similar to the structure of cargo bike users found in previous research projects. Subgroups of the sample were analysed in order to gain more detailed insights. For the segmentation of the sample, both an a priori approach was chosen and a post-hoc segmentation by means of cluster analysis was carried out. The use of cargo bikes in each group is analysed according to frequency and purpose. This reveals clear differences between the a priori defined groups, owners and users who do not have a freight bicycle in their households. Owners use cargo bikes regularly, while users use them only occasionally. This is accompanied by a clear tendency for owners to use freight bicycles for regular purposes such as shopping or transporting children. For users, on the other hand, users take cargo bikes for occasional trip purposes. There are also clear differences in the frequency of use of cargo bikes between the classes identified by cluster analysis. The results show that families are an important target group for cargo bikes, provided that they are motivated to use them. The clusters can also be used to identify groups with potential for (more intensive) use of cargo bikes.To explain the use of cargo bikes, the role of internal factors influencing behaviour is analysed, including the theory of planned behaviour. The results of the structural equation model show that this theory can only explain 19% of the variance in the frequency of cargo bike use. The quality and informative value of the model can be improved if the number of cargo bikes in the household is included as an exogenous variable. Situational influences, such as the availability of cargo bikes, are thus likely to have a decisive influence on their use, whereas no effect could be demonstrated for the intention.Sharing is one way of improving the availability of cargo bikes and thus increasing their use. Among the various sharing models, host-based offers currently show the greatest demand. Rental operations are often organised informally, as can be seen, for example, from the high proportion of verbal agreements. In the course of the expansion, a professionalisation and formalisation of the offer is expected (e.g. through station-based sharing), in order to address a broader range of target groups and to increase the efficiency of rental processes.This is underpinned by the comparison of rental data between a host-based and a station-based service. Grätzlrad (host-based) and Seestadtflotte (station-based) in Vienna show similar demand curves over time. However, the average rental period is considerably shorter in the case of station-based cargo bike sharing, probably due to the automated (and thus efficient) rental process and the fact that prior reservation is not necessary. Based on data of the host-based Grätzlrad system, it can be shown that there are significant differences in the number of rentals between locations. In addition to proximity to the place of residence, opening hours and the available freight bicycle model are also decisive factors in the choice of rental location by the lender. The survey data of the Grätzlrad users also allow an estimation of the traffic effects of host-based cargo bike sharing. About half of the users replaced trips with a car. Of those who used the Grätzlrad, 70% used a cargo bike for the first time, 95% plan to use a cargo bike again in the future. This suggests that there are considerable indirect modal shift effects by influencing future behavioural decisions in favour of the cargo bike. The introduction of sharing offers is therefore a suitable way of promoting the use of cargo bikes.Cargo bikes have the potential to contribute to the transformation of the mobility system in terms of climate friendly mobility. The key challenge is to considerably expand the number of users and address new target groups. Thus there is a need for more in-depth and supplementary research in connection with the research findings, especially in the assessment of the potential of cargo bike use in the overall population and the identification of corresponding target groups. A longitudinal study could be used to analyse the change in mobility behaviour and behavioural factors as a result of changes in the availability of cargo bikes (e.g. through purchase). Practical recommendations for the promotion of cargo bikes relate in particular to infrastructural improvements in the area of cycling and parking facilities and the target group-oriented expansion of sharing offers adapted to the spatial context.

Schlagworte:
Shared Mobility; Lastenrad Sharing; Mobilitätsverhalten; Zielgruppen


"Offizielle" elektronische Version der Publikation (entsprechend ihrem Digital Object Identifier - DOI)
http://dx.doi.org/10.34726/hss.2021.92535

Elektronische Version der Publikation:
https://repositum.tuwien.at/bitstream/20.500.12708/18131/1/Dorner%20Fabian%20-%202021%20-%20Mit%20dem%20Lastenrad%20mobil%20-%20Nutzung%20und%20Sharing%20im%20Kontext...pdf


Erstellt aus der Publikationsdatenbank der Technischen Universität Wien.