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Wissenschaftliche Berichte:

H. Dörr, P. Prenninger, B. Hörl, C. Berkowitsch, M. Wanjek, K. Hillen, V. Marsch, A. Romstorfer, Y. Toifl, R. Albrecht, A. Huss:
"Neue Fahrzeugtechnologien und ihre Effekte auf Logistik und Güterverkehr - Serviceability of Low-Emission-Vehicle-Technologies to eco-optimize Future Logistics and Freight Transport (EFLOG)";
Bericht für Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT); Berichts-Nr. 2014/09, 2014; 252 S.



Kurzfassung deutsch:
Executive Summary
Die vorliegende F&E-Dienstleistung spannt einen thematischen Bogen auf, der ausgehend von den Vorbedingungen, die den Gütertransport von seiner logistischen Aufgabenstellung her beschreiben, über jene Rahmenbedingungen, die die Teilnahme der Nutzfahrzeuge im werktäglichen Verkehrsgeschehen erfassen, um mit diesem Daten-Input Simulationen der Fahrdynamik von Nutzfahrzeugen vorzunehmen, bis zur Quantifizierung von verkehrsökologischen Effekten und zur Ableitung von verkehrslogistischen Gestaltungsmöglichkeiten reicht.
Mit diesem Vorhaben der methodischen Integration von logistikorganisatorischen, verkehrsplanerischen und fahrzeugtechnischen Zugängen, um Optionen für eine nachhaltigere Gestaltung der Gütermobilität auszuloten, wurde gewissermaßen Neuland betreten. Dieser interdisziplinäre Brückenschlag kann mit dem Oberbegriff "VerkehrslogistikDz trefflich bezeichnet werden.
Die im Projekttitel angesprochenen Wirkungspotenziale werden im Kontext der EFLOG-F&E-Dienstleistung in Hinblick auf verkehrsökonomische und verkehrsökologische Effekte verstanden, die sich in der Erfüllung der zentralen Ziele "Reduktion des EnergieverbrauchesDz und "Reduktion der CO2-äquivalenten-EmissionenDz ausdrückt. Zu dieser Zielerreichung trägt eine Fülle von Einflussfaktoren bei, die es modellhaft anhand von Mustertransportläufen abzubilden galt, um sodann in Fahrzyklen-Simulationen, als Herzstück der vorliegenden Arbeit, die genannten Effekte für verschiedene herkömmliche, am Stand der Technik befindliche Antriebe und für alternative, in unterschiedlichen technologischen Reifestadien befindliche, aber mittelfristig (bis 2020) einsetzbare Antriebs-bzw. Fahrzeugvarianten zu berechnen.
Die Auswahl der Logistikprozesse, die den Mustertransportläufen zugrunde gelegt wurden, sollte Versorgungsaufgaben betreffen, die regelmäßig, werktäglich und letztlich überall, wo eine breite Güternachfrage besteht, erfüllt werden. In Korrespondenz mit den Nutzfahrzeugmustern der Klassen N1, N2 und N3 wurden daher eine Tour für einen Kurier-, Express-und Paketdienst (N1-KEP-Tour) zur Zustellung von Kleinsendungen an beliebige Adressen (Points of Deliveries) in einem städtischen Zustellrayon, eine Tour für die Belieferung von Filialen des Lebensmitteleinzelhandels (Points of Sale) in einem dicht bebauten Stadtteil (N2-LEH-Tour) und eine Tour zur Zulieferung eines industriell gefertigten Standard-Produktes von einer innerstädtischen Produktionsstätte zu einem Warenempfangslager eines Großabnehmers im Umland (N3-ZZG-Tour) ausgewählt.
Erstens konnte damit ein Gutteil von Gütertransporten im Ballungsraum abgedeckt werden; zweitens lassen sich solche Güterverkehre auf einer gemeinsamen Zulaufstrecke in die Gütersenke bündeln, wie es der Realität zwischen dem Wirtschaftsgürtel südlich von Wien und den Außenbezirken der Metropole entspricht, und drittens sind in den genannten Ziel-und Quellgebieten der Warentransporte die Standorte der Ausliefer-und Empfangsläger (diesfalls der Raum Industriezentrum Niederösterreich Süd) sowie in den Bedienräumen die Points of Delivery und Points of Sale (diesfalls der 16. Wiener Bezirk) mit einer Dichte vertreten, dass auf konkrete Unternehmen nicht Bezug genommen werden musste.
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Dabei galt das Bemühen der Herstellung von größtmöglicher Repräsentativität, ohne sich auf breite statistische Absicherungen, wie privatwirtschaftliche Fahrzeugdaten, stützen zu können. Es war ein "Gl"cksfallDz, dass auf Grundlage der letzten Wiener Gesamtverkehrserhebung 2010 eine Auswertung der Verkehrsstärken im Tageszeitgang von 60 Zählstellen vorlag, die es ermöglichte, ein realitätsnahes Bild der Verkehrszustände mittels des Verkehrsqualitätsindikators Level of Service und dessen Auswirkung auf die Fahrdynamik der Mustertransportläufe zu entwerfen.
Die Fahrzyklen-Simulationen wurden in zwei Stufen durchgeführt, um Erfahrungen mit der Modellierung der verkehrslogistischen Randbedingungen und mit der Interpretation der Ergebnisse, beispielsweise in der Darstellung der Motorkennfelder, zu gewinnen. In der ersten Fahrzyklen-Simulation wurden die drei Mustertransportläufe mit Fahrzeugen auf dem Stand der heutigen Technik (Dieselantrieb) in Hinblick auf ihren Kraftstoffverbrauch berechnet, wobei die Topographie des Laufweges berücksichtigt und drei Stufen der Verkehrsqualität unterschieden wurden. Dabei hat es nicht überrascht, dass eine mittlere Verkehrsqualität im Straßennetz dem Güterverkehr am besten entgegenkommt und die Extreme (freier Verkehrsablauf bzw. stockender Verkehr) den Kraftstoffverbrauch erhöhen.
In der zweiten Simulation wurden alle für die jeweiligen Nutzfahrzeugklassen mittelfristig in Frage kommenden Antriebsvarianten der Hybridisierung und Elektrifizierung ausgehend von diesel-oder gasangetriebenen Basisvarianten in Hinblick auf ihren Energieverbrauch und ihre CO2-äquivalenten Emissionen simuliert. Das diesbezügliche Reduktionspotenzial hat sich schlussendlich als beachtlich herausgestellt. Verfeinert wurde auch der Daten-Input bei den Randbedingungen, indem für die Logistikprozesse übliche Zeitfenster für die tägliche Belieferung festgelegt wurden und für diese dann ein repräsentativer Mix von Verkehrsqualitäten im Tourenverlauf für die Fahrdynamik zugrunde gelegt worden ist. Die Ergebnisse der Fahrzyklen-Simulationen lassen in Zukunft erhebliche Verbesserungspotenziale erwarten, wenn die Marktfähigkeit der alternativen Antriebssysteme im Angebot der Nutzfahrzeugmodelle für die fuhrparkbetreibenden Unternehmen hergestellt werden kann. Schon kleinere technologische Maßnahmen, wie die Start-Stopp-Funktion (Micro Hybrid), können über alle Nutzfahrzeugklassen zwischen 11 % und 39 % Reduktionspotenzial beim Energieverbrauch erzielen. Ein hoher Hybridisierungsgrad von Nutzfahrzeugen mit einem Dual-Energy-Concept, das konventionelles mit elektrischem Fahren kombinieren lässt, könnte sogar bis zu 75 % Energieeinsparung erbringen, wenn man die derzeitigen Anschaffungskosten für ein solches Nutzfahrzeug ausblendet. In Hinblick auf Energieeffizienz und mit dem Vorteil von Nullemission sind reine Elektrofahrzeuge kaum zu übertreffen, aber ihre Einsatzfähigkeit ist , sowohl was die Fahrzeuggröße als auch die Einsatzreichweite betrifft, für Güterverkehre noch eng begrenzt.
Auf die Aspekte der speziellen Einsatzbedingungen für die Elektromobilität im Güterverkehr wird an passenden Stellen hingewiesen. Dabei wirken das Gewicht der Batterie reduzierend auf die Nutzlastkapazität im Fahrzeug und die Speicherkapazität limitierend auf die Einsatzreichweite. Daher stellt sich bis auf weiteres die Frage einer zweckmäßigen Ladeinfrastruktur auch außerhalb des Betriebsmittelpunktes eines E-Fuhrparkes. Das Rekuperationspotenzial (Energierückgewinnung während des Transportlaufes) ist wiederum ein Argument für den Einsatz entsprechender Hybridfahrzeuge, ebenso wie die Möglichkeit, in sensiblen Zonen eine gewisse Strecke emissionsfrei zurücklegen zu können.
Die in den Fahrzyklen-Simulationen errechneten Effekte sind somit ein Produkt aus komplexen Wechselwirkungen, die sich aus der Verbindung der logistischen Einsatzplanung der Nutzfahrzeuge mit der
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Ermittlung der typischen Befahrungsbedingungen in den von den Touren frequentierten Straßen sowie mit den antriebstechnologischen und nutzlastkapazitiven Eigenschaften der Nutzfahrzeugvarianten ergeben. Sie beziehen sich auf Mustertransportläufe, wie sie als Güterverkehre regelmäßig und in großer Zahl stattfinden, sodass die Effekte mit ihren Quantitäten unter bestimmten Voraussetzungen verallgemeinert oder aggregiert werden können.
Zur Aktivierung der erkannten Reduktionspotenziale können erstens technologische Maßnahmen am Nutzfahrzeug ansetzend, wie beispielsweise beim Antriebsstrang, bei der Energie-bzw. Kraftstoffversorgung, der Energiespeicherung und beim Fahrwiderstand, zweitens die Gestaltung des logistischen Einsatzes des Fuhrparks, drittens die unternehmerische Standortwahl als Quellen und Ziele der Güterverkehrsrelationen sowie viertens die Verkehrsorganisation in den Verkehrswegenetzen und ein zeitnahes Verkehrsmanagement beitragen. Damit sind grundsätzlich alle Entscheidungsbereiche, die Güterverkehre realisieren und ihre Abwicklung wesentlich beeinflussen, in der Modellannahme der Mustertransportläufe einbezogen worden.
Für eine erweiterte Interpretation der Effekte neuer Antriebstechnologien auf den Güterverkehr war es nützlich, eine Vergleichbarkeit auch zwischen den Mustertransportläufen derart herzustellen, dass die im Straßennetz bewegten Fahrzeugmassen in Tonnenkilometern als Maßstab hergenommen wurden. Damit kann deutlich gemacht werden, welcher energie-und emissionsrelevante Transportaufwand für die Erfüllung von logistischen Transportleistungen erforderlich ist und wo in diesem Verhältnis Verbesserungspotenziale stecken.
)n einem nachfolgenden Schritt sollte der verkehrsträger"bergreifende Vergleich im "LandverkehrDz
geschärft werden. Dazu wurde eingangs der F&E-Dienstleistung die Ausgangslage in Hinblick auf die fahrzeugtechnologischen Entwicklungsaspekte für den Schienengüterverkehr, die Binnenschifffahrt und den Luftfrachtverkehr, sofern dieser als Konkurrent auf kürzeren kontinentalen Relationen auftritt, in Kürze beschrieben.
Für die Umstellung von Fahrzeugflotten sind Kriterien der Wirtschaftlichkeit unabdingbar zu beachten. Sie stellen die angebotenen Fahrzeugmodelle auf den Prüfstand der Innovationsdurchsetzung. Am Fahrzeugmarkt werden vor allem bei den kleineren Nutzfahrzeugen schon Modelle angeboten, die sich technisch aus dem Pkw-Angebot ableiten. Bei schweren Nutzfahrzeugen ist das Angebot noch auf Einzelmodelle und Prototypen beschränkt, die für die Frühanwendung entwickelt worden sind. Der städtische Busverkehr kann aber beispielgebend sein, um auch ähnliche stadtdienliche Nutzanwendungen für die City-Logistik und bestimmte kommunale Ver-und Entsorgungsdienste zu konzipieren.
Schließlich dürfen auf längere Sicht die Perspektiven auf den Energiemärkten nicht aus dem Auge verloren werden, denn die globale Nachfrage der Energieverbraucher, darunter die der aufkommenden Industrieländer, wie China, Indien, Brasilien u.a.m., ist im Steigen begriffen und birgt Preis -und in manchen Segmenten auch Versorgungsrisiken bei den herkömmlichen Kraftstoffen in sich.
Alles in allem soll die künftige Gütermobilität nachhaltiger gestaltet werden, um die Energieabhängigkeit besser zu beherrschen, die lokale Umwelt von negativen Effekten des Güterverkehrs zu entlasten und die Klimaziele seitens des Verkehrs doch noch zu erfüllen, indem die technologischen und innovatorischen Potenziale dafür optimal genutzt werden.

Schlagworte:
Logistik, Güterverkehr, Antriebstechnologie, Straßennetz, Emissionen, Fahrzeugtechnik, Elektrische Antriebe


Elektronische Version der Publikation:
http://publik.tuwien.ac.at/files/publik_255603.pdf


Erstellt aus der Publikationsdatenbank der Technischen Universität Wien.